"Tödliches Alaska" – eine Geschichte von Céline Büchler - Young Circle

«Tödliches Alaska» – eine Geschichte von Céline Büchler

Member Stories 2022

«Tödliches Alaska» – eine Geschichte von Céline Büchler

Ich nehme Mileys Hand und gehe langsam den schmalen Waldweg zurück. Mein Herz klopft laut vor Angst. Nach einigen hundert Meter lasse ich Mileys Hand los und schaue mich noch einmal um…

Fröhlich steigen wir in unseren Minicamper und drehen die Musik lauter. Miley setzt sich ans Steuer und fährt vom Parkplatz. Die Sonne geht gerade am Horizont auf als wir auf die Hauptstrasse biegen. Meine beste Freundin Miley und ich wollten diese Reise schon seit der fünften Klasse machen. Jetzt, acht Jahre später ist es so weit. Heute fahren wir in den Denali Nationalpark nach Alaska. Nach der siebenstündigen Fahrt kommen wir am späteren Nachmittag endlich im Nationalpark an. Ich springe aus dem Auto und drehe mich um mich selbst. Die Aussicht von hier ist umwerfend. Die frische Sommerluft steigt mir in die Nase. Ich schliesse die Augen. Miley kommt auf mich zu und umarmt mich: «Wir sind da!!! Wir sind im Denali Nationalpark für ganze drei Wochen!» Ich freue mich genauso sehr wie sie sich. Jetzt, wo wir endlich 18 sind, können wir diese Reise machen. Ich kann mir ein breites Grinsen nicht verkneifen. Statt unseren Camper auszuräumen und aufzustellen, machen wir einen kleinen Spaziergang zum nahegelegenen Teklanikasee. Am See legen wir uns ins Gras und geniessen die letzten Sonnenstrahlen. Am Abend legen wir uns ins Bett und reden über verschiedenes, als es an der Tür klopft. Ein Ranger des Nationalparks steht vor unserem Camper. «Guten Abend, entschuldigen sie die Störung, aber es besteht der Verdacht, dass sich ein unbefugter Jäger in der Nähe des Sees aufhält. Wir wären ihnen also dankbar, wenn sie etwas Verdächtiges hören oder sehen es einem Ranger melden würden.» Ich nicke brav und schliesse die Tür wieder. Ich lege mich wieder zu Miley. Eine halbe Stunde später gehen wir schlafen. Am nächsten Morgen werde ich von der Sonne geweckt, die mich im Gesicht kitzelt. Ich drehe mich noch einmal um und will weiterschlafen, doch Miley hat andere Pläne. Sie zieht mir die Decke weg und ruft lachend: «Aufstehen Schlafmütze, wir wollen unsere Zeit hier doch nicht mit schlafen vertrödeln» Ich setze mich auf: «Ich komm ja schon». Von uns beiden war ich schon immer die Schlafmütze und die ruhige. In diesen Punkten ist Miley das komplette Gegenteil von mir. Miley hat bereits Frühstück gemacht. Ich setzte mich an den kleinen Campingtisch und beginne zu essen. Den Tag vertreiben wir uns mit einem kleinen Spaziergang, Baden im See und die Aussicht geniessen. Heute Nacht haben wir eine Nachtwanderung geplant. Als es dunkel wird, machen wir uns fertig und gehen los zum See. Dort schalten wir die Lampen aus. Wir wollen auf ein kleines Felsplateau wandern, von dem man eine wunderschöne Aussicht auf den Mount McKinley haben soll. Ich bestaune den Himmel durch das leichte Blätterdach. So viele Sterne hatte ich noch nie gesehen. Ich bleibe stehen und schliesse die Augen. Ich atme tief ein. PENG! Erschrocken reisse ich die Augen auf und wirble herum. Nichts ist zu sehen. Ich schaue mich nach Miley um. Sie war schon einige Meter vorgegangen. Ich renne zu ihr. «War das ein Schuss?» «Ich glaube schon», antworte ich ängstlich. Ich schaue mich noch einmal um. Wir beschliessen zurück zum Campingplatz zu gehen. Ich nehme Mileys Hand und gehe langsam den schmalen Waldweg zurück. Mein Herz klopft laut vor Angst. Nach einigen hundert Meter lasse ich Mileys Hand los und schaue mich noch einmal um. Miley läuft einige Meter von mir weg um sich kurz auf einen Stein zu setzten. Die Angst steht ihr ins Gesicht geschrieben. Hinter mir knackte es im Gebüsch. Ruckartig drehe ich mich um, kann aber nichts sehen. Dann knallt es erneut. Direkt neben mir. Ich schreie laut auf. Auch Miley schreit. Aber es hört sich mehr nach einem Schmerzensschrei an. Ich drehe mich um, Angst davor, dass ihr irgendetwas passiert ist. Sie liegt auf dem Boden. Ich schalte meine Taschenlampe an und sehe, dass aus ihrem Bein Blut strömt. Ich ziehe meinen Pulli aus und drücke ihn auf die Wunde. Hinter mir höre ich Schritte, jemand schreit, so laut, dass es in meinen Ohren weh tut: «Achtung, Grizzly!» Doch es ist zu spät. Ich spüre wie sich dicke Kralle in meinen Rücken graben. Der Grizzly faucht laut. Auch Miley wird Opfer des Grizzlys. Und es knallte wieder. Und wieder. Und wieder. Der Grizzly bewegt sich weg von uns. Ich ignoriere meine Schmerzen und bücke mich zu Miley. Sie sieht schrecklich aus, sie hat überall tiefe Kratzer und Blut. «Das mit dem Schuss tut mir leid», sagte die Person hinter mir. Ich hatte diese Person ganz vergessen. Ich wende mich zu ihr. Es ist ein Mann, gross und etwa vierzig, soweit ich das im Schein der Taschenlampe sehen kann. Ich schreie ihn an: «Sehen sie wie es ihr geht? Sie könnte sterben!» Ich bin wütend und sage ihm: «Verschwinde, sofort!» Er hört auf mich und verschwindet im Wald. Was ist das für ein Typ? Ich schaffe es gerade so Miley auf meinen Rücken zu nehmen. Ob ich es diese 800 Meter zum Camping noch schaffe, frage ich mich. Aber ich werde es versuchen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreiche ich den Waldrand. Jetzt sollte man eigentlich unseren Camper sehen, doch der ist nirgends. Wir haben uns einen Platz neben dem einzigen Baum weit und breit gesucht, doch dort ist nirgends ein Camper zu sehen. Ich bekomme noch mehr Angst als ich sowieso schon habe. Ich lasse Miley auf den Boden gleiten und sprinte los. Ich muss Hilfe holen, so schnell wie möglich! Warum habe ich nur diesen Typen weggeschickt? Endlich erreiche ich die anderen Camper. Ich klopfe überall, doch niemand öffnet mir. Ich will gerade panisch weiterrennen, als ich gegen eine junge Rangerin pralle. Ich erzähle ihr was passiert ist. Gemeinsam rennen wir zurück zu Miley. Ich kann mich noch gut an die Stelle erinnern, an der wir aus dem Wald gekommen waren. Miley liegt völlig regungslos am Boden. Die Rangerin fühlt ihren Puls und kontrolliert ihren Atem. Dann wendet sie sich an mich: «Es tut mir leid, aber ihre Freundin ist tot.» Dieser Satz trifft mich wie ein Schlag gegen den Kopf. Miley ist tot? Ich kann es nicht glauben. Ich setzte mich auf den Boden und sacke in mir zusammen. Mehr bekomme ich nicht mehr mit.

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