"The Boat" – Eine Geschichte von Maria Drexlmaier - Young Circle

«The Boat» – Eine Geschichte von Maria Drexlmaier

Member Stories 2024

«The Boat» – Eine Geschichte von Maria Drexlmaier

Ein Mensch, der in einem Ozean der Verzweiflung ums Überleben kämpft und kurz davor ist, aufzugeben, wird im letzten Moment von einer vertrauten Person gerettet. Diese unerwartete Rettung zeigt ihm, dass wahre Freundschaft einem immer Halt gibt, auch wenn man selbst nicht mehr weiter weiss.

Ich schrie. Nach Hilfe. Keiner hörte mich. Ich war ausgesetzt in einem Ozean ohne Boot und ohne Aussicht auf Land. Ich spürte, wie die Finger von Seetang und Algen nach meinen Beinen griffen, um mich nach unten zu ziehen. Ich habe so oft versucht, mir ein Floss aus Treibholz zu bauen, aber jedes Mal, wenn es fertig war, zog ein Sturm auf und liess es untergehen. Manchmal hielt es, aber nach einiger Zeit konnte es das Gewicht nicht mehr halten und zerbrach. Ich schwamm, meine Kräfte durften mich nicht verlassen, sonst würde mich das Meer, ohne zu zögern, aufnehmen, umklammern und mich nie wieder loslassen. Ich war hilflos. Ich wollte eine Pause, die aber praktisch unmöglich war. Eine brennend heisse Sonne, Gewitter und eiskalte Winde zerrten an meinen Kräften. Ich brauchte eine Pause. So fühlt sich jeder Tiefpunkt meines Lebens an. Ich brauchte auf die Dauer etwas Standhaftes. Etwas, das mir Halt gibt und mich nicht im Stich lässt wie die kleine Flosse, die ich ohne jegliches Handwerksgeschick selbst zusammenbastle. Was ich brauche, ist etwas von jemand anderem, der Erfahrung im Boote bauen hat und dem ich vertraue, dass er mich nicht im Stich lässt. Aber hier draussen konnte ich schwer jemanden erreichen. Das Wasser war kalt, eiskalt. Meine Klamotten völlig durchnässt, sie zogen mich ebenfalls in die Tiefe. Ich trug nicht einmal etwas bei mir, mit dem ich mich bemerkbar machen konnte, falls jemand in die Nähe kommen würde. Als ob das jemals passieren würde. Ich gab das «Um-Hilfe-rufen» auf, um mir meine Energie zu sparen. Aber so fokussierte ich mich nur noch mehr auf das eiskalte Wasser. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich nur noch etwas Bestehendes, etwas, was mir einfach Zeit zum Entspannen gibt, dass ich mich erholen kann, eine Pause machen kann. Plötzlich wurde mir sehr warm. Ich wusste nicht wieso, ich sah mich um, sah aber nichts. Da bekam ich Panik. Ich wusste, wenn man erfriert, wird einem vorher richtig warm wird. Das bedeutete, das mir das hier alles zu viel wurde. Das Traurige daran ist, ich sogar ein wenig erleichtert war, dass ich mich nicht mehr mühsam über Wasser halten muss. Ich liess es geschehen. Ich wollte nicht mehr kämpfen. Der Ozean nahm mich freundlich entgegen. So, wie ich die Tatsache akzeptiert hatte, war der Ozean gar nicht mehr so unheimlich. Fast schon… gemütlich. Ich sank langsam in die Umarmungen der Wellen, während ich die Augen schloss. Die Panik wurde ersetzt durch… innerer Frieden und Zufriedenheit. Ich fand mich mit der Tatsache ab. Mein Körper sank ins Meer. Langsam. Sehr langsam…

Da packte mich ein paar Arme und zog mich wieder an die Oberfläche. Ich spürte, wie jemand hustete und keuchte, und es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass ich es war. Mir war schwindelig. Alles drehte sich, meine Lungen waren voller Wasser und ich konnte gerade so noch atmen. Die Arme zogen mich irgendwo hin, ich hatte keine Orientierung mehr, mir war so schwindlig und übel, dass ich es für klüger hielt, meine Augen geschlossen zu halten. Dann spürte ich harten Untergrund und hörte eine Stimme, die aber sehr gedämpft war. Ich konnte nichts verstehen. Hände schoben sich unter meinen Körper und richteten mich auf, sodass ich sass. Das Wasser in meinen Lungen schoss in einem Schwall heraus und ich konnte endlich wieder atmen. Die Person, wer auch immer sie war, hielt mich eine Zeitlang fest, damit ich wieder in Normalzustand kommen und mich von den Strapazen erholen kann. Es war angenehm, so dazuliegen und sich keine Sorgen ums Überleben machen zu müssen. Ich öffnete langsam die Augen, der Sturm war vorüber und ein freundlich warmer Sonnenschein lachte mir ins Gesicht. Ich sah zu meinem Retter. Das Gesicht kam mir bekannt vor, ich konnte nur nicht zuordnen, wohin es gehörte. Besorgt sah es mich an. Sie sagte etwas, aber die Stimme war immer noch dumpf. Das Gesicht gehörte definitiv einer jungen Frau, etwa in meinem Alter. Mir war es auch egal, wer das war. Ich musste ihr wichtig sein, wenn sie sich so um mich kümmerte. Erst da realisierte ich, wo ich war. Auf einem richtigen Boot. Eine Nussschale, zwar, aber es war ein Boot. Ich konnte es nicht fassen. Ich wollte schon ewig ein richtiges Boot, und hier war es, beständig und dicht. Die junge Frau nahm die Ruder, die im Boot lagen, und fing an zu rudern. Vom Boot aus war das Wasser friedlich, nicht so beängstigend, als wenn man darin schwamm. Nach einiger Zeit, es waren etwa drei Stunden vergangen, hörte ich Möwen kreischen. Land! Die Unbekannt und ich hatten immer noch kein Wort gewechselt, und ich war froh darüber. Das Ganze musste erstmal verarbeitet werden. An Land fühlte ich mich sicher und vor allem wohl. Die junge Frau half mir aus dem Boot, ich war immer noch wackelig auf den Beinen. Als sie stand, erkannte ich sie. Sie war mir ganz und gar nicht fremd. Sie war eine Freundin! Eine alte, wir kannten uns aus dem Kindergarten. Wir hatten uns eine Weile nicht mehr gesehen. Das sie hier zu meiner Retterin geworden ist, werde ich nie vergessen.

An dem Tag lernte ich eines: Gute Freunde helfen dir, wenn es dir schlecht geht. Immer.

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