Hier kannst du dir die Geschichte auch anhören:
Noch den ganzen Abend sassen sie zusammen an einem der vielen Tische in der Brockenstube und hörten der elektrischen Pfeffermühle zu, während draussen ein Gewitter tobte. Gemeinsam brüteten sie einen Plan aus, wie sie Anton aufhalten könnten.
Die Stunden vergingen wie im Flug. Riri warf einen Blick auf die verzierte Wanduhr, die an der gegenüberliegenden Wand hing. Die Uhr war ebenfalls eines der Lieblingstücke von Herrn Lethe. Ihr Stundenzeiger wanderte langsam in Richtung zwei Uhr morgens.
Riri musste gähnen. Erst jetzt merkte sie, wie müde sie eigentlich war.
Die elektrische Pfeffermühle hielt inne. Riris Vater und Herr Lethe sahen zu Riri herüber. «Ich glaube, wir sollten jetzt mal nach Hause gehen», meinte Viktor. «Es ist schon ziemlich spät.» Herr Lethe nickte knapp. «Wir können morgen weitersprechen.» Auch er sah müde aus. Der alte Mann stand auf und begleitete die beiden zur Tür. Er blieb unter dem Vorwand zurück, dass er noch aufräumen müsse. Doch insgeheim wusste Riri ja, wieso er noch in der Brockenstube blieb.
Direkt nach dem Zähneputzen fiel Riri ins Bett. Schliesslich musste sie am anderen Morgen in die Schule. Sie schloss die Augen, doch sie konnte nicht einschlafen. Sie konnte nur an ihren Plan denken.
Als Riri am Morgen die Treppe hinunterkam, wurde sie in der Küche von ihrem Vater bereits erwartet. Zum Frühstück gab es eine Scheibe Brot mit Aufstrich. Danach nahm Riri ihren Rucksack und stürmte zur Tür hinaus. Da sie verschlafen hatte, war sie ziemlich spät dran. Auf halbem Weg traf sie Paul, ihren besten Freund. Sie kannten sich, seit sie klein waren. Er musste wohl auch verschlafen haben. Gemeinsam rannten sie das letzte Stück in die Schule. Sie liessen sich auf ihre Stühle fallen und kurz darauf kam auch schon Herr Schmidt ins Zimmer. Er stellte seine überdimensional grosse Aktentasche neben seinen Schreibtisch und musterte die Klasse über den Rand seiner Brille hinweg. Sein Blick blieb kurz an den rot angelaufenen Gesichtern von Riri und Paul hängen, bevor er sich wieder der ganzen Klasse zuwandte. «Guten Morgen. Nehmt doch bitte eure Mathebücher hervor», sagte er. Seine tiefe Stimme hatte eine komische Tonlage, sodass man ihn fast nicht verstehen konnte. Riri hatte es schon lange aufgegeben, ihren Lehrer zu verstehen. Ausserdem hatte sie das Fach Mathematik noch nie gemocht.
Während Herr Schmidt versuchte, der Klasse das heutige Thema zu erklären, drifteten Riris Gedanken wieder zu ihrem Plan. Sie musste Paul unbedingt davon erzählen. Er würde ihnen bestimmt helfen.
Die Mathelektion dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Riri probierte ein paar Aufgaben zu lösen. Erfolglos. Der Rest des Morgens verlief auch nicht besser. Bei Herrn Meier hatten sie einen unvorbereiteten Test und Frau Huber war schlechter Laune. Als es dann endlich klingelte, war Riri die Erste, die das Zimmer verliess. Draussen wartete sie auf Paul.
«Ich muss dir etwas erzählen», sagte sie voller Elan. Neugierig hob Paul seine Auenbrauen. «Der komische Anton ist gar kein Sammler, sondern ein Lieferant für Wahrsager, Kartenleger und spirituelle Seelsorger», begann sie. «Er kauft Gegenstände in der Brockenstube und verkauft sie dann an diese weiter.» Paul sah sie erstaunt an. «Du meinst Anton mit der Vorliebe für Hüte?» – «Ja, genau den. Und wer weiss, was er alles mit der armen Pfeffermühle anstellen wird, wenn wir sie nicht befreien. Du musst uns helfen, Paul, bitte.»
«Warte mal eine Sekunde. Also erstens, welche Pfeffermühle? Und zweitens, was sollte man sonst noch mit einer Pfeffermühle anstellen, als sie fürs Kochen zu benutzen?», fragte er irritiert.
«Sie ist eben nicht eine gewöhnliche Pfeffermühle, sondern eine, die sprechen kann.»
Paul sah Riri verdutzt an, bevor er in schallendes Gelächter ausbrach. «Haha. Sehr witzig, Riri. Und was kommt als Nächstes? Eine Lampe, die fliegen kann?» Er wischte sich die Lachtränen aus den Augen.
«Ich meine es ernst, Paul. Ich kann‘s dir beweisen.»
Die Entschlossenheit in Riris Augen liess Paul verstummen. «Okay. Die Gelegenheit, eine sprechende Pfeffermühle zu sehen, ist aber auch wirklich verlockend. Aber lass uns zuerst etwas essen.» Sie verabredeten sich in einer Stunde bei Riri zu Hause.
Zu Hause warf Riri ihren Rucksack in eine Ecke und ging in die Küche, aus der es bereits köstlich duftete. Während dem Mittagessen erzählte Riri ihrem Vater, dass sie sich mit Paul treffen würde, um ihm die sprechende Mühle zu zeigen. Viktor fand es gut, Paul zu involvieren, da er sehr clever war. Ausserdem würde er selbst auch mit zur Brockenstube kommen, um mit Herrn Lethe noch den letzten Teil des Plans zu besprechen.
Paul stand pünktlich (wie immer) vor Riris Haus. Zu dritt machten sie sich auf den Weg zur Brockenstube.
Gemeinsam betraten sie die Brockenstube. Abrupt blieben sie stehen. Die ganze Stube war leergeräumt. Alles war weg. Alles. Herr Lethe sass mittendrin auf dem leeren Boden. Ganz in sich zusammengesunken. Neben ihm stand die elektrische Pfeffermühle. Tränen kullerten dem alten Mann übers Gesicht. Die drei gingen auf ihn zu, und als er sie kommen hörte, hob er den Kopf.
«Hinter der ganzen Sache steckt wohl mehr, als ich gedacht habe», sagte er mit heiserer Stimme.
Verfasst von Lara B., aus Münsingen, 15 Jahre