Still und leise segelten die Schneeflocken vom Himmel herab, wurden von der Kraft der eisigen Brise, die Moranas Haare zerzauste, umhergewirbelt. Vergnügt betrachtete sie die weissen Partikel während ihres Tanzes. Bei jedem ihrer Atemzüge bildete sich eine Nebelwolke vor ihrem Gesicht, so tief waren die Temperaturen an diesem Tag gesunken. Mit ihrem langen Mantel, den Handschuhen und dem Schal fror sie jedoch nicht, selbst wenn sie ihre rote Mütze zu Hause vergessen hatte.
Während sie so durch die Winterlandschaft spazierte, kam sie nach einer Weile an einem kleinen Teich an. Das Gewässer war zugefroren, kein Schnee lag auf dem Eis, obwohl es bereits seit Tagen dauerschneite. Das war es aber nicht, was die Schwarzhaarige stutzen liess, sondern die Tatsache, dass der Weiher zu glühen und zu leuchten schien. Das helle Funkeln, welches von ihm ausging, sowie die frostglitzernden Bäume, die ihn umrahmten, tauchten die Umgebung in einen weihnachtlichen Schein.
Neugierig trat Morana näher und warf einen genaueren Blick auf das Bildnis. Jetzt merkte sie, weshalb auf der gefrorenen Fläche kein Schnee lag; die Schneeflocken wurden auf magische Weise über dem Eis in der Luft gehalten, so wirkte es. Statt eine dicke Decke darauf zu bilden, hingen sie wie eingefroren darüber. Wie war das nur möglich? Fasziniert streckte Morana eine Hand aus, um eine Flocke zu berühren.
Da geschah es. Der Schnee, der in der Luft schwebte, begann, sich langsam um sich selbst zu drehen. Immer schneller und schneller rotierte er, bis er schliesslich vollständig zu einer Kugel verschwamm. Morana zog die erhobene Hand zurück und hielt sie stattdessen vor ihre Augen, geblendet von der weissen Pracht, die nun auch leuchtete, noch strahlender als der Teich selbst sogar, immer heller und heller wurde. Etwas zog sie zum Licht, und obwohl eine leise Stimme in ihrem Kopf ihr zuschrie, sie sollte es nicht tun, machte die junge Frau doch einen Schritt nach dem anderen. Wie eine Motte folgte sie dem singenden Ruf in ihrem Kopf auf die Eisfläche.
So friedlich die Atmosphäre von aussen gewirkt hatte, so stürmisch war sie von innen. Ein Gefühl, wie sie es noch nie gefühlt hatte, durchströmte sie bis in die Haarspitzen. Morana befand sich mitten im Auge des Sturms, bestehend aus kleinen weissen Schönheiten und doch hässlich, wie sie es noch nie gesehen hatte. Pfeifender Wind, der ihr in den Ohren heulte und beissende Kälte, die ihr vorher nichts ausgemacht hatte, jetzt jedoch der Schmerz der Welt hiess.
Morana schrie, sie schrie aus voller Kehle, nach Hilfe und gleichzeitig doch aus Glück. Doch niemand kam, niemand hörte ihre Rufe. Ganz allein war sie und ganz allein blieb sie auch, solange, bis die Schneekugel sich auflöste und nichts als die Ruhe nach dem Sturm zurückliess.