Mir ist bereits so kalt, dass es nicht mehr schmerzt. Mein gesamter Körper fühlt sich fremd an. Selbst meine Gedanken scheinen eingefroren zu sein. Unbekannte Leere in meinem Kopf. Einsame Stille. Alles, was ich höre, ist das Geräusch des Regens. Alles, was ich sehe, ist die endlose Weite des Meeres, verschleiert durch dichten Nebel. Wie bin ich hier gelandet? Ich stehe am Ende eines langen Holzstegs, der weit ins Wasser führt.
Mein Spiegelbild im Wasser zu sehen, löst Unbehagen in mir aus. Panik bahnt sich an. Ich habe keine Ahnung, wo genau ich mich befinde. Warum bin ich hier? Mein Atem geht rasend schnell. Mein Körper bebt von Erschöpfung. Ich wollte nur noch Rennen. Weit weg von allen. Und jetzt stehe ich hier, das ist alles, was ich noch weiss. Lange, Stare ich, in mein Spiegelbild im Wasser. Unfähig mich zu bewegen.
Ich muss mich erinnern.
Es war nicht real. Es war in meinem Kopf. Ich weiss das. Doch es fühlte sich echt an. Mein Körper bebte. Mein Herz raste. Meine Beine fühlte ich nicht mehr. Mich zu bewegen unmöglich. Meine Sicht war verschwommen. Mein Gehör wurde abgeschwächt. Meine Stimme versagte komplett. Das schlimmste Symptom jedoch, sich alles schönreden, weil alles so schnell wieder verblasste. Mir geht es gut. In dieser Endlos schleife gefangen. Nicht fähig zu begreifen, was das Herz längs weiss. Bis es nicht mehr ging. Bis es zu spät war.
Nein, mir geht es nicht gut.
Nicht mehr.
Stille.
Alles, was ich wollte.
Ruhe.
Alle was ich brauchte.
Überreizung.
Alles, was ich fühlte.
Unwohlsein
Alles, was ich kannte.
Flucht.
Alles, was ich hatte.
Mein Blick nun gerade ausgerichtet, Richtung Horizont, weil ich mein Spiegelbild nicht mehr ertrage. Die Kälte hält mich immer noch gefangen und die nasse Kleidung klebt an meiner Haut. «…», ist alles, was ich hervorbringe. Manche Dinge bleiben ungesagt. Wie die unzähligen Träume im Schlaf, von welchen wir nie das Ende erfahren.
Mir kommen Tränen, weil ich mich so hilflos fühle. Die Verzweiflung und Erschöpfung lassen mich zu Boden sinken. Nun liege ich da, zusammen gekrümmt auf dem nassen Holzsteg über dem offenen Meer. Der Regen hat kein Erbarmen. Im Nebel bin ich praktisch unsichtbar. Für einen Moment konzentriere ich mich nur darauf zu Atem zukommen. Es funktioniert nicht wirklich. Mir ist übel und alles dreht sich. Auf einmal wird alles schwarz…
Leise nehme ich Schritte wahr.
Vorsichtig öffne ich meine Augen wieder.
Die Kälte durchflutet urplötzlich mein gesamter Körper, so dass es schmerzt. Wie ein Blitzschlag durchströmt mich Hitze, dicht gefolgt von heftigen Schmerzen, aber ich fühle meinen Körper wieder. Ich musste mich erst verlieren, um wieder zu funktionieren. Keine Ahnung wie lange ich reglos hier gelegen haben. Mein Zeitgefühl ist nicht mehr existent. Es regnet immer noch und inzwischen ist es noch dunkler. Die Schritte werden lauter und schneller. Das Holz unter mir beginnt leicht zu schwanken. Durch den neuen Adrenalinkick versuche ich mich, mit aller Kraft zu erheben. Obwohl ich zuvor leblos am Boden lag, gelingt es mir aufzustehen. Zeit, um darüber nachzudenken, gebe ich mir nicht. Ich starre in die Richtung der immer näherkommenden Gestalt. Als ich dich erkenne, bleibt mein Herz kurz stehen, nur um anschliessend rasend schnell zu schlagen. Wie ein wunderschöner Kolibri der ständig um sein Leben kämpft.
Du stehst nicht weit entfernt vor mir. Du scheinst verändert. Deine sonst so gelassene Haltung ist verschwunden. Du wirkst angespannt und zitterst am ganzen Körper. Dein Leid zu sehen, lässt mich auftauen. Eine Kurzschlussreaktion und ich stolpere tatsächlich vorwärts. Immer schneller laufen wir aufeinander zu. Ein Wimpernschlag mehr und wir fallen einander in die Armen. Du löst dich nach einer Weile von mir und nickst richtig Ufer. Dein Blick unergründlich, doch deine Augen verraten dich. Du warst verzweifelt. Du bist es immer noch. Doch du hast mich gefunden. Es wird wieder gut werden. Dir wird es wieder besser gehen. Du bist nicht allein.
Ich bin in Sicherheit, weil du jetzt bei mir bist. Ich kenne dich schon mein ganzes Leben lang. Ich wollte immer verstehen, warum du mir nicht glaubst, wenn ich dir sage, wie schön du bist. Du bist so viel mehr als deine Zweifel. Ironisch, wie mich mein eigenes Spiegelbild, bei diesen Worten betrachtet.
Alles, was es braucht, ist, für andere wie auch sich selbst da zu sein. Wie der Wind nicht aufdringlich, aber spürbar zu sein.
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