"Seite an Seite" - Eine Geschichte von David von Boeckmann - Young Circle

«Seite an Seite» – Eine Geschichte von David von Boeckmann

Member Stories 2023

«Seite an Seite» – Eine Geschichte von David von Boeckmann

Der Protagonist sitzt wie gewohnt im Zug und ist von seinem Smartphone abgelenkt. Plötzlich erlebt er eine beunruhigende Erfahrung, bei der die Menschen um ihn herum von ihren Smartphones wie hypnotisiert sind. Eine geisterhafte Stimme warnt ihn vor den Gefahren der Abhängigkeit von Handys. Dann taucht eine rettende Person auf, die ihm hilft, sich aus dieser Abhängigkeit zu lösen und sein Leben zu verändern.

Meine Wenigkeit sass wie jeden Donnerstag im gleichen Zug und starrte gebannt aufs Mobiltelefon. Mit meinen Kopfhörern, die ich mir aufgesetzt hatte, hörte ich Musik. Wie alle anderen machte ich vom noise canclling Gebrauch, um nervige Stimmen zu unterdrücken. Es war noch früh und es hatte noch nicht einmal begonnen zu dämmern, da traf es mich wie ein Lichtblitz. Mein Smartphone fiel mir aus der Hand, als hätten meine Muskeln kurz nachgegeben. Es prallte dumpf auf den Boden und die Musik entwich. Es blieb ruhig, etwas zu ruhig. Ich nahm mir den over ear Kopfhörer vom Haupt und lauschte. Es geschah rein gar nichts, ich war wie allein in dieser Bahn, obwohl x Menschen um mich herum Platz genommen hatten. Ich betrachtete die Personen auf der anderen Seite genau, sie waren alle wie hypnotisiert, sie bewegten allerhöchstens ihre Daumen, ansonsten waren sie starr. Ich wagte einen Blick hinaus, in die Dunkelheit hatte sich eine leichte Schleierwolke gelegt und versperrte somit jegliche Verbindung zur Freiheit. Also stand ich auf und lief etwas umher, auf der Suche nach jemandem der oder die nicht ins Unglück des bösen Geistes geraten war.

Meine Erkundung blieb aussichtslos, es waren ausschliesslich Zombies im Wagon. Somit kehrte ich zu meinem Sitzplatz zurück und dachte scharf nach, ich wollte wissen wie viel Zeit man mit rein gar nichts verbrachte. Wenn wir annehmen, ich würde nur zwei von 24 Stunden mein mobiles Gerät benutzen. Dann kann man das Mal 365 Tage rechnen und kommt somit auf 730 Stunden im Jahr. Wenn wir das wiederum durch Stunden pro Kalendertag rechnen, sollte man auf die Anzahl Tage in zwölf Monaten kommen. Dies auszurechnen, ging etwas länger! 30 Komma irgendetwas. Erschrocken sah ich auf den Apparat, der immer noch auf dem Boden lag. Das heisst, ich würde einen Monat im Kalenderjahr ausschliesslich mit meinem Handy verbringen. Und da ich es länger benutze, ist es noch viel mehr. Dieses Ding, es ist eine Höllenmaschine, geschickt vom Teufel persönlich.

«Wie Recht du damit hast!», eine unmenschliche, äusserst gruslige Stimme, hauchte dies hervor. Ich schien der Einzige zu sein, der sie hörte.

«Das Leben zieht an euch Sterblichen vorbei und ihr bekommt es noch nicht einmal mit.»

Meine Haare hatten sich aufgestellt, die Umgebung wurde kälter und dunkler. Ich begann zu zittern, was war hier los? Etwas, was ich nicht identifizieren konnte, packte mich und zog mich in die Dunkelheit. Eine Wahl hatte ich nicht, ich konnte keinen Finger rühren. Das Atmen fiel mir immer schwerer, es war als würde mir die Luft aus der Lunge gezogen. Der Tod kam näher und meine Kindheit zog bereits an mir vorbei. Obwohl ich meine Probleme hatte, war ich ein so glückliches Kind gewesen und danach… es ging nicht weiter! Es gab nichts, woran ich mich erinnern konnte. Mein Leben ging an dem Tag zu Ende an dem ich abhängig wurde. Mittlerweile fühlte ich Qualen, sowohl körperlich als auch seelisch. Ich hatte meine Zeit ungenutzt gelassen, anstelle sie mit meiner Familie und Freunden zu verbringen.

«Ist hier noch frei?», fragte ein junge Frau, die im Gang stand.

Perplex suchte ich nach Worten: «Klar», erst danach erfasste ich sie genauer, sie war bildhübsch.
«Du hast da was verloren», sie hob mein Telefon vom Boden auf und drückte es mir wieder in die Hand. In dieser Sekunde zuckte ein Nerv in mir drin, daher räumte ich es gleich weg und bedanke mich höfflich. Der Teufel wartete auf eine neue Gelegenheit, mich um meinen Verstand zu bringen. Ich spürte seine machtvolle Aura, in mir drin. Ist das grade wirklich passiert? Hat diese Frau mich gerettet?

«Du hast noch einen kurzen Moment! Wach auf, öffne deine Augen», kam eine sanfte Melodie, eines Engels daher. Ein kleines Lichtfunkeln am Horizont, das den bösen Schatten, der mich umklammerte, hinfort schickte.

«Gib acht. Beim nächsten Mal erwische ich dich!», schrie die boshafte Stimme aus.

«Alles gut bei dir?», wollte die Frau neben mir wissen.

«Ja… ja. Ich habe nur herausgefunden, wie traurig unsere Generation ist!»

«Wieso denn, dass?»

«Hör mal», ich wartete kurz. «Da ist nichts, alle schauen auf ihre Displays. Wir leben nicht miteinander, sondern nebeneinander!»

Sie blickte mich erstaunt an. «Wir müssen nicht alle so sein, obwohl ich selbst auch dazu gehöre», sie legte ihr eigenes Gerät, was sie noch hielt und wahrscheinlich grade benutzen wollte, weg.

«Was machst du denn?»

«Ich habe einen Blog»

«Eine Influencerin, also. Die habe ich mir irgendwie anders vorgestellt!»

«Jetzt bin ich aber gespannt!»

«Naja, ich habe gemeint die wären arrogant und hochnäsig, auf jeden Fall nicht so sympathisch und hübsch, wie du es bist», oh nein, war das zu viel? Ich wagte einen Blick zu ihr herüber. Sie wurde rot und lächelte verlegen.

«Über was berichtest du?», wollte ich wissen, um es ihr nicht zu unangenehm zu machen.

«Über Begegnungen, in den unterschiedlichen Verkehrsmitteln. Wie Menschen aufeinander reagieren, wenn sie aufeinandertreffen», währenddem sie erzählte, spielte sie mit ihrem Haar. Ihre Hand, die sich auf meiner verirrt hatte, zog sie panisch zurück.

«Ach echt? Es kennen…», verdammt, noch ein Versuch. «Es freut mich, dich kennen zu lernen!»

Sie schmunzelte und streckte mir die Hand entgegen. «Die Freude ist ganz meinerseits!»

Seite an Seite verbrachten wir diese und noch viele weitere Zugfahren, miteinander.

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