"Paris" – Eine Geschichte von Aylin Bernegger - Young Circle

«Paris» – Eine Geschichte von Aylin Bernegger

Member Stories 2024

«Paris» – Eine Geschichte von Aylin Bernegger

In einer regnerischen Nacht in Paris steht sie verloren und verwirrt in einer dunklen Gasse, als ein geheimnisvoller Mann, den sie seit Monaten beobachtet, ihr plötzlich näherkommt und ihr einen Kuss gibt. Während sie sich zwischen Verlangen und Angst hin- und hergerissen fühlt, wird ihr klar, dass sie bereit ist, ihn in ihr Leben zu lassen — doch die Schatten der Vergangenheit werfen bereits ihren dunklen Schatten über die aufkeimende Romanze.

Da stehe ich nun. Mitten in Paris. In einer dunklen Gasse unter einer der Lichtquellen am Strassenrand. Ich stehe da, da unter diesem Lichtmast, verdutzt und verliebt zugleich. Ich stehe da, eingehüllt in seiner Jacke und laufe nach Hause. Ein fünf Minuten Weg zu Fuss. Acht Minuten, wenn man keine Schuhe anhat.

Vor dem grauen, eher hässlichem, Wohnblock krame ich meinen Schlüssel aus der Tasche. Ich wohne im zweiten Stock von fünf, schlurfe zu meiner Wohnungstür hinauf und schliesse schnell auf. Ich stolpere in die Küche. Dort hole ich mir ein Glas Rotwein. Und dann noch eins, der Entscheid, die Flasche mitzunehmen steht fest.

Ich bewege mich in mein Zimmer und stelle die Flasche neben mein Bett. Zunächst streife ich meine High Heels, dann mein Kleid ab, werfe mich aufs Bett und fange an am Wein zu nippen. Kurze Zeit später wirkt der Alkohol, eine Idee oder vielmehr ein Verlangen macht sich in meinem Kopf breit.

Ich schlüpfe aus meiner schlichten Unterwäsche in einen rosa Einteiler mit Spitze. Die restliche Wäsche werfe ich achtlos zu meinen Schuhen in eine Zimmerecke neben dem Fenster. Draussen höre ich immer noch den Regen prasseln. Ich denke, es ist das Verlangen, das er zu mir zurückkehrt, all meine Sehnsüchte stillt, die Einsamkeit durch ein Prickeln ersetzt, welches von all den glücklichen Gefühlen kommt. Die Gefühle die er mir vor einer Stunde in den Magen gesetzt hat.


Ich stand zitternd unter dem gelben Schein der alten Laterne. Das Lampengehäuse bot ein wenig Schutz vor dem strömenden Regen.  Mein braunes Haar triefte schon vor Nässe, meine Füsse schmerzten. Kein Wunder, wenn man sich in High Heels durch Clubs tanzte. Ich beschloss meine Schuhe auszuziehen und den Weg barfuss zu bewältigen. Hoffentlich würde ich mich nicht erkälten.

Ich schaute nochmals über meine Schultern. Der Mann stand immer noch da, er verfolgte mich, keine Zweifel. Ich wusste zunächst nicht, ob mir mein Verstand einen Streich spielte oder der Alkohol meine Paranoia verstärkte. Langsam stieg die Panik in mir auf, ich kriegte keine Luft, tränen bildeten sich in meinen Augen und flossen langsam meine Wange hinunter. All diese Dokus von Mördern und den entführten jungen Frauen, die ihr Leben noch vor sich hatten, stiegen mir in den Kopf.

Der Mann näherte sich mir. Ganz langsam wie ein bedrohlicher Schatten schlich er sich zu mir. Ich kniff meine Augen zu, rennen war zwecklos ich hätte keine Chance. Ich wollte einfach, dass es vorbei war. Zu meiner Überraschung aber spürte ich statt einer kalten Klinge an meinem Hals seine warme Hand auf meiner Wange.

Ich öffnete verängstigt meine Augen. Er strich mir meine Tränen weg, drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Dann legte er mir seine Jacke um die Schultern und verschwand wieder in der Nacht. Alles in mir kribbelte. Was war das eben? Wer war das eben?

Im Laternenschein konnte ich erkennen, dass er komplett dunkel gekleidet ist, schwarzes längeres Haar hat und eine Narbe sein Gesicht ziert. Den hatte ich schonmal gesehen. Wieso viel mir das erst jetzt auf? Dieser Mann verfolgte mich seit mehreren Monaten. Jeden Tag sah ich sein verschmitztes Grinsen. Seine Gesichtszüge, alles war so vertraut an ihm. Ich sollte Angst haben, aber die hatte ich nicht. Nicht mehr. Vielleicht war es nur, weil er mich schützte, statt mir weh zu tun. Es sollte sich nicht gut anfühlen, das ist doch verwerflich?

Ich realisiere immer noch nicht so genau, was passiert war. Vielleicht will ich es auch gar nicht realisieren Ich liege da, in meinem Bett, die Decke ruht nur auf einem meiner Beine. Man sollte kalt haben, wenn man ohne Schuhe durch den kalten regen nach Hause eilt. Doch da ist dieses Gefühl, es wärmt meinen ganzen Körper vom Kopf bis in die Zehenspitzen. Ich liege wach da an schlaf kaum zu denken. Der Alkohol beruhigt mich, nein viel mehr er wirkt betäubend. Alle diese Gefühle, die falsch sind, werden mit jedem weiteren Schluck verdrängt. Die Wahrheit, die ich mir nicht eingestehen will, schwindet immer mehr.

Plötzlich höre ich jemanden an meinem Fenster. Das Geräusch ist wie ein Kratzen. Was war das, nein wer war das. Bevor ich meinen Gedanken beenden kann, schiebt sich mein Fenster hoch. Der Man von vorher kletterte ungeniert herein in meine kleine Wohnung. Ich stehe ruckartig auf, stolpere nach hinten weg. Ich realisiere das ich nur in Unterwäsche da stehe. Hilflos suche ich etwas, was mich bedecken könnte und greife nach seiner Jacke, die ich mir überstreife. Der Fremde läuft auf mich zu und kommt immer näher.

Da war die Wahrheit plötzlich wieder da, das Verlangen nach ihm. Der Fremde steht vor mir, streicht mir durchs Haar. Und da tue ich es. Wohl das Absurdeste, was ich je tun hätte können. Die Polizei wäre die richtige Option. Doch ich entscheide mich für einen Kuss.

Erschrocken von mir selbst weiche ich zurück. Er aber packte mich sanft, aber bestimmt an meinen Hüften, seine Hände sind wärmend. Der Mann zieht mich so nah an sich ran, dass ich seinen Atem spüre. Er ist sehr viel grösser als ich, sein nasses Oberteil erkenne ich, dass er einen trainierten Oberkörper hat. Ich schaue in seine Augen, und bei einem weiteren, intensiven Kuss entschied ich mich dafür in näher kennenzulernen, ihn in mein Leben zu lassen und nie mehr wieder mein Herz vor ihm zu verschliessen.

Hier geht es zu den weiteren Member Stories:

Bewertung