Im Bett lag ein schlafendes Mädchen. Es fror, obwohl es draussen selbst in der Nacht warm war. Zitternd wachte sie auf. Die Augen weit aufgerissen, die Hände schwitzig, drehte sich zur Seite. Ein Albtraum oder doch kein Traum, weiterschlafen. Nur noch ein bisschen Schlaf. Nur noch ein bisschen mehr. Kopf auf die andere Seite, Augen schliessen, nochmal probieren. Das Kissen an Boden werfen. Die Decke abgestrampelt, kalt haben, sich wieder in ein Deckenburrito wickeln. Nein, es wurde nicht besser. Sie konnte nicht schlafen. Wenn sie schlief, dann kurz ohne jeglichen Traum. Zu viele wirre Gedanken in ihrem Kopf. Wörter, die sie nie ausgesprochen hätte. Sie richtete sich auf, zog ihren alten Stoffhasen an ihre leere Brust. Eine Erinnerung flog immer wieder durch ihren Kopf.
«Lüg mich ein letztes Mal an…» «Ich hasse dich», sagte er voller Bedauern. «Nein, in die andere Richtung», flehte sie. «Ich liebe dich,» erwiderte er mit gesenktem Kopf. Das war das letzte Mal. Letztes Mal «Ich liebe dich», gelogen, aber trotzdem war es irgendwie wahr. Er hasste sie nicht, liebte sie als Freundin und erste Liebe. Seit Monaten log er. Stetig und immer wieder. Drei Wörter ohne Bedeutung.
Dabei waren sie früher, so verliebt. Schauten sich tief in die Augen. Die Freunde, um sie herum sagten sie seien die Messlatte für gesunde Beziehungen. Manchmal reicht genug nicht aus. Wieso bleiben Menschen zusammen, wenn sie sich nicht mehr lieben? Gewohnheit, dachte sie. Freundschaft, trifft es eher. Sie wusste, wenigstens wurde sie einmal geliebt. Jetzt wusste sie wenigstens, dass sie verdient hatte, geliebt zu werden. Keine Snapchatboys, die nach Bildern fragen. Keine Beziehungsperson, die von einer in die nächste flüchtete. Jemand, der sie hält, wenn sie schlecht träumt. Jemand, der am Abend zu ihr fahrt, wenn sie fragt, kommst du vorbei, wenn sie die Stille in sich nicht ertragen kann.
Eine Geschichte hat einen Anfang, einen Plot und bestenfalls ein schönes Ende- ausser es ist eine Tragödie. Manchmal fängt die Fortsetzung am Ende an, denkt sie, als lautlose Tränen ihr Gesicht runterfliessen. Manchmal brauchst du einen Cut von einer Situation, damit du dich verändern kannst, sagt sie zu ihrem müden Spiegelbild an der gegenüberliegenden Wand. Vom Weinen waren ihre Augen rot gerändert und so stach das Grün darin heraus. Dunkle Wimpern fächerten ihren traurigen Blick, der trotz allem müde funkelte. Vielleicht träumt sie jetzt schlecht, kann deswegen nicht schlafen, aber eins, zwei, sieben Wochen später, Monate, Jahre, wird sie lächelnd zurückdenken. Wer verliert, hatte etwas für das sich das Kämpfen gelohnt hatte. Alles tut weh, weil etwas fehlt, das vorher da war. Wer konnte schon ahnen, dass der Geruch nach seinem Waschmittel fehlen könnte?
Beim letzten Gespräch waren seine Augen anders. Seine grünen Augen, die einst voller Wärme für sie waren. Als er sagte: «Eine Frau würde dich besser verstehen.» Der Plot dieser kleinen Erzählung, auf diesen hast du sicherlich gewartet. Warte, ich brauche noch eine Sekunde, um mein Unglauben in Worte zu fassen. Kennst du diese traurigen Liebesfilme? Sie küssen sich ein letztes Mal, wünschen sich «Alles Gute» bei einer freundschaftlichen Umarmung, streiten und drehen sich um ohne zurückzublicken. Nein, bei ihr war das anders.
Es war ein Montag in den Sommerferien. Eigentlich hätten die Beiden sich vor vier Wochen trennen sollen, aber vielleicht vermisste er sie genug, um sie wieder zu lieben. Auf jeden Fall liebte sie ihn nicht mehr, aber das war okay. Er hatte ihr Herz gebrochen. Ihr das Träumen verdorben. Zurück zu diesem letzten Gespräch. «Was hast du in den Ferien gemacht…?» «Bla, bla, bla:» Dann endlich redeten sie Klartext über sich, ihre Beziehung, die eigentlich schon lange vorbei war. Sie waren sich einig. Haben sich getrennt. Er wollte einfach gehen, aber sie hatte Besseres verdient. Sie ging auf ihn zu und sagte, «Die Welt ist klein. Wir werden uns sowieso sehen.» Jetzt festhalten, bitte wirklich. Es wird peinlich. Dann nahm er ihre Hand, schüttelte sie und sagte tschüss. «Wie kann sich eine Person, die so viel liest ein solches Ende ausdenken?», fragst du dich.
Naja, vielleicht sitzt sie Wochen später an ihrem Laptop, nachts, schreibt diese vergangenen Dinge. Vielleicht ist dies der letzte Text über alte Liebe. Ganz bestimmt nicht, aber sie lächelt wieder, träumt verwirrende Träume. Sie liest 1000 Seiten an einem Tag, hört 100 Mal die gleichen Songs, aber so ist sie. So bin vielleicht ich.
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