"Music" – eine Geschichte von Pauline Petko - Young Circle

«Music» – eine Geschichte von Pauline Petko

Member Stories 2023

«Music» – eine Geschichte von Pauline Petko

Grace sitzt alleine auf ihrer Lieblingsbank, um den Tod ihrer besten Freundin Lissy zu gedenken, während sie ihre BFF-Playlist hört. Ein Jahr nach Lissys Tod rennt sie vor ihren Sorgen davon und trifft auf den geheimnisvollen Lev, der eine Geschichte zu erzählen hat, die Grace versteht und die ihr Leben verändern wird.

Hey, miss your stupid face

Get back to my place, I need you

Stupid Face, Abe Parker. Gerade brauchte ich dieses Lied. Tränen rollten über meine Wangen. Vergeblich versuchte ich sie wegzuwischen. Erst ein Jahr war es her, dass meine beste Freundin Lissy starb. Es zerriss mich. Ich sass alleine auf unserer Lieblingsbank. Stundenlang verbrachten wir früher unsere Zeit auf ihr, redeten über Jungs, lästerten über unsere Lehrer und hörten dabei unsere ‚BFF-Playlist‘. Doch dann erwischte sie ein Auto und alles veränderte sich. Nach ihrer Beerdigung zog ich mich von der Aussenwelt zurück. Der einzige Anker war die Playlist. Ich vergrub mich in ihr und hoffte, Lissy würde zurückkommen. Nach einiger Zeit wurde mir klar, dass sie weg war. Meine beste Freundin. Tot. Von einem Auto überfahren. Nun sass ich ein Jahr später an ihrem Todestag hier, wie sonst auch immer, verletzlich und tränenüberströmt. Das Lied Stupid Face traf auf mich zu. Hilflos hörte ich den Zeilen zu. Es war unser Lied. Lissy war der hilfbereiteste, netteste, klugste, schönste und lustigste Mensch auf Erden. Nichts gab es, dass wir uns nicht erzählten. Langsam und schniefend wischte ich mir die Tränen weg. Aus meiner Tasche holte ich die Blumen, die ich zuvor gekauft hatte hervor und legte sie neben mich auf unsere Bank. Entschlossen stand ich auf und blickte ein letztes Mal für heute zurück. Dann begann ich zu rennen. Immer schneller und schneller. Es war, als rannte ich von allen Sorgen und Problemen davon. Alles zog an mir vorbei, doch ich rannte und rannte immer weiter. In meinen Kopfhörern lief ‚In The Stars’ von Benson Bone. Auch einer dieser Lieder, die mich einfach beschrieben. Der Refrain Liedes trieb mich voran weiterzurennen.

I’m still holdin‘ on to everything that’s dead and gone

I don’t wanna say goodbye, ‘cause this one means forever

Now you’re in the stars and six-feet’s never felt so far

Here I am alone between the heavens and the embers

Oh, it hurts so hard

Ich liess meinen Tränen freien Lauf. Meine Lunge brannte, doch ich ging weiter und weiter. Nach einer Weile stoppte ich. Mein Körper schrie nach Sauerstoff und ich schluchzte heftig. Irgendwo neben einem Feldweg brach ich zusammen. Gekrümmt weinte ich vor mich hin. Ich vermisste Lissy so sehr. Keine Ahnung wie lange ich da noch lag. Doch es gab keinen Ausweg aus meinen Sorgen und Problemen. Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen öffnete ging die Sonne auf. Sie liess den Himmel in einem zarten Rosa erstrahlen. Lissys Lieblingsfarbe. Traurig, doch nicht mehr weinend betrachtete ich den Himmel. Der gestrige Zusammenbruch war mir schrecklich peinlich, doch ich fühlte mich nun besser. Plötzlich blickte ich mich um und erschrak. Neben mir sass ein Junge. Etwa im gleichen Alter, dunkelblonde, kurze Haare, grüne Augen und eine schwarze Lederjacke. Eilig strich ich mir meine roten, zersausten Haare aus dem Gesicht und wischte mir über meine verheulten Augen. Was hatte der hier zu suchen? Schräg lächelte er mich an. Ein ziemlich hübsches Lächeln, wie mir in diesem Moment in den Kopf sprang. Gleich darauf hasste ich mich für diesen Gedanken. Meine beste Freundin hätte mich dafür ausgelacht. „Alles gut? Was hast du hier in dieser verlorenen Gegend zu suchen? Du siehst ziemlich mitgenommen aus“, sagte der hübsche, nein Stopp, normale Junge. Ich drehte den Kopf weg. Doch er wendete den Blick nicht ab. Schüchtern fragte ich: „Hast du etwas zu Essen?“ Mist, dass klangt ziemlich jämmerlich. Der mysteriöse Junge griff lächelnd in seine Jackentasche, zog einen Apfel daraus heraus und reichte ihn mir. Dankend nahm ich ihn an. Eilig biss ich hinein und spürte, wie neue Energie in meinen Körper schoss. Lange Zeit sass ich einfach nur da und ass den rot-grünen Apfel.

Erst als sich der Junge räusperte, fiel mir ein, dass er noch neben mir sass. „Hi, ich bin Lev“, sagte dieser nun und streckte mir seine Hand entgegen. Ich gab Lev die Hand und antwortete: „Ich heisse Grace.“ Er gab mir ein schräges Lächeln. Es war irgendwie süss. Lissy würde mir für diesen Satz definitiv eine Kopfnuss geben. „Hast du schon einmal jemanden verloren, ohne den du nicht Leben kannst?“, fragte ich leise und beantwortete somit seine erste Frage. Es klang zittrig und jämmerlich, doch Lev blickte mich unverwandt an. Dann schaute er gedankenversunken auf den Boden. Seine Beine dicht an den Körper gedrückt sass er einfach nur da. Ich sah ihm seine Verletzlichkeit an. Hinter dieser coolen Maske steckte ein zerbrechlicher Junge. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass Lev eine Geschichte hatte. Eine, die ich verstand.

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