Es ist ein schöner Morgen. Die Sonne hat ihre maximale Leuchtkraft noch nicht erreicht und die Luft ist noch angenehm zum Atmen. Während der Morgen voranschreitet, gräbt ein Mensch im Garten. Ja, das bin ich. Neben dem Garten kauen unmenschliche Gestalten das Gras.
Ich pflanze jeden Setzling einzeln. Gebe darauf Acht, dass ich keinen einzigen verkrümme. Glaub, dass ich die Setzlinge wie Soldaten in einer Reihe in die Erde stecke. Eine Reihe fertig, schau zurück. Die weissen Kreaturen denken, dass ich unter Drogen stehe. Nein, war ich nicht und bin ich nicht. Nur die Reihe ist ein bisschen daneben.
Jetzt kommen die Bohnen dran. Fünf Samenkörner begrabe ich in einem Loch und 50–Mal gibt es eine Beerdigung.
Endlich habe ich alles in die Erde gesteckt. Jetzt hoffe ich, dass meine Erzfeinde meinen Garten nicht erobern. Die Nacktschnecke, die ist die neue Godzilla, der weisser Schmetterling, der neue Fantasydrache. Die wolligen Lebewesen neben dem Garten betrachte ich nicht als Feind.
Ein Traum von knackigem Kohlrabi, dunkelgrünem Brokkoli, Mais, den das Corn-Kid liebt, Zucchini, in der Erntezeit in Hülle und Fülle. Ein Traum, der sich erst im Spätsommer erfüllt. Wenn ich alles in die Schatztruhe, in den Keller legen werde. Erst dann kann ich meine Gemüse geniessen und das Glückshormon im Blut spüren. Ja, ich bin verliebt in meinen Garten, eher verknallt. Ohne es zu wissen, teilen die niedlichen Tiere dieses Gefühl mit mir.
Aber das Ziel ist weit entfernt. Es ist das Jäten angesagt.
Jedes einzelne Unkraut zupfe ich mühselig aus dem Garten weg. Eine Detailarbeit. Ein Garten ist mir lieber als ein Dschungel. Also stecke ich Fleiss und Schweiss in mein Schätzchen. Die Säugetiere schauen mich an, als wäre ich ihr Sklave. Ich beachte sie nicht.
Es ist Juli, der Garten blüht und glüht voller Köstlichkeiten. Die Schafe, die neben dem Garten sind, spionieren mit ihren feuchten Schnauzen den Garten aus.
Wie würde der zauberhafte Kohlrabi schmecken? Die Karotten? Der hellgrüne Salat? Der Kohl? In ihren Augen steht, dass sie sich am liebsten auf das Festmahl stürzen würden. Aber nein, da ist ein Zaun vor ihren Mäulern und der wird sich nicht vom Fleck rühren. Wie es das Schicksal will, müssen sie sich mit Gras zufrieden stellen. Ich beachte sie weiterhin nicht.
Ein Schaf will das stinknormale Gras nicht fressen und steht vor dem unbeweglichen Zaun. Wartet bis der verdammte Zaun sich bewegt. Es würde gerne den ganzen Garten leer fressen. Dieses Szenario würde nie enden. Wenn etwas nicht passiert wäre. Das süchtige kluge Schaf bemerkt, dass der Zaun keinen Saft hat und es sich locker unter den Zaun hindurchzwängen kann.
Ich sitze auf meiner Couch, lese ein Buch und in der linken Hand habe ich eine Schafswurst. Nach einer gewissen Zeit höre ich Glocken. Sind das, die Schafe? Wo rennen sie denn hin? Jetzt kommt mir ein Gedanke wie ein Blitz vor meinen Augen. Sind die Schafe vielleicht im Garten? Ich renne aus dem Haus heraus. Egal, ob ich gesprintet bin wie einen Gepard. Ich stehe vor meinem leer gefressenen Garten. Mein Traum ist geplatzt. Die Schafe mit ihren vollen Bäuchen schauen mich unschuldig an. Ich frage sie: Welches Gemüse werde ich essen? Euch? Sie antworten mir frech: Kauf doch Gemüse im Laden!