„Du hast keine Ahnung, was du da tust, Alexandra!», schreit er. Sein Kopf ist hochrot und er fuchtelt wild mit seinen Armen herum. Warum nennt er mich Alexandra? Das ist nicht mein Name. Warum kennt er überhaupt meinen Namen?
Meine Hand zittert, ich halte die Pistole aber weiter fest umklammert und drücke sie fest gegen seine Schläfe. Hinter ihm geht langsam die Sonne unter, das Licht taucht uns in einen magischen orangen Schimmer. Von weiter weg muss diese Szene wohl ziemlich episch aussehen. Wie wir hier stehen, auf dieser Klippe, wo es zwei Schritte weiter rechts mehrere hundert Meter runtergeht. Hinter uns der weite Ozean. So wie aus einem der Actionfilme, die meine kleine Schwester immer schaut.
Doch das ist kein Film, sondern die Realität. In der Realität wird niemand kommen und mich davon abhalten den Mann zu erschiessen. In dieser Welt werde ich ihn gnadenlos erschiessen, denn ich habe keine Wahl. Deshalb antworte ich: „Doch ich weiss genau, was ich tue, und mein Name ist Layla und nicht Alexandra!“ Ich drücke ab. Der Schuss löst sich und es gibt einen lauten Knall. Es hört sich merkwürdig an in der Stille der Natur.
Der Rückstoss lässt mich taumeln, ich mache einen kleinen Ausfallschritt nach hinten, um nicht umzukippen. Fange mich aber gleich wieder. Ich schaue auf den Mann hinunter. Er ist tot, da gibt es keinen Zweifel. Seine Augen haben sich auf eine unschöne Weise nach hinten verdreht, so dass man nur noch das Weisse sehen kann. Ich bücke mich, nehme seinen Arm und ziehe ihn mit einem kräftigen Ruck über die Kante der Klippe. Ich höre, wie er auf dem Wasser aufschlägt. Es ist vollbracht, ich habe es geschafft, ich habe gewonnen.
Die Sonne ist jetzt ganz hinter dem Horizont verschwunden, es wird langsam dunkel. Etwas knirscht hinter mir, ich fahre mit gezückter Waffe herum. Es sind die anderen, die gemerkt haben dass sie nicht mehr auf den Spuren des Mannes sind, sondern auf meinen, gefälschten Spuren. Es sind fünf, ich weiss nicht genau, wo sie den sechsten gelassen haben. Denn es wurden sieben ausgewählt für die Suche und die Tötung des Mannes.
Vor einer Woche hatte sich im ganzen Land eine Nachricht verbreitet. Es wurden Reiter gesucht für einen Auftrag, mit dem man viel Geld verdienen kann. Nur der Reiter, der es schafft, als erstes diesen Mann zu finden und zu töten, würde den Auftrag bekommen. Dabei haben wir lediglich die Information erhalten, dass er an beiden Händen vollkommen tätowiert ist. Ich, die zu einer der besten Reiterinnen von allen Kontinenten gehöre, habe da natürlich sofort eingewilligt.
Wir Reiter sind eine Art Briefträger, da wir Nachrichten aller Art in die Welt heraustragen. Wir unterstehen direkt „dem Bund der fünf Kontinente“ und haben eine jahrelange Ausbildung im Kampf.
Ich bin, im Gegensatz zu wohl jedem anderen, der fünf Reiter auf einem Fleck sieht, nur leicht besorgt. Als sie mich jedoch umkreisen, bekommen ich schon ein wenig ein flaues Gefühl im Magen „Du! Die Fährten waren von dir. Dafür werde ich dich töten!“ zischt der eine und zieht ein langes Schwert aus seiner Uniform. Wir alle haben sie, die Uniform mit dem Zeichen des Bundes und einer Reihe tödlicher Waffen. Sie ist ganz in einem dunklen Blau gehalten und hat an den Nähten goldene Verzierungen. Sie liegt eng am Körper, ist aber bequem wie ein Schlafanzug, was ich leider auch schon testen musste. Am Rücken sind zwei überkreuzte Schwerter angebracht und um die Hüfte ist ein schwarzer Gürtel gebunden, an dem eine Art Rohr hängt. Darin überbringen wir die Nachrichten, die besonders wichtig sind. Unsere Schuhe sind massiv und halten jegliches Wasser ab. Das ist ganz schön praktisch, wenn man Tage lang im strömenden Regen reitet.
Eine Frau tritt vor, sie hat ihr schwarzes Haar zu einem strammen Zopf nach hinten gebunden und überragt mich mit ein paar Zentimetern. Laut fängt sie an zu sprechen: „Sie hat gewonnen, der Mann ist tot. Wir alle haben es gesehen. Du… „sie deutet mit dem Finger auf den Reiter, der mir gedroht hat. „…darfst sie nicht töten, dass verstösst gegen den Kodex. Es ist verboten einen anderen Reiter zu töten, darauf steht die Höchststrafe. Das weisst du genau!“. Lautes Gemurmel wird breit, einige nicken zustimmend, andere jedoch knurren. Ich hingegen mache ein paar Schritte nach hinten und hoffe, dass sie nicht merken, dass ich mich wegschleichen will. Doch der bullige Typ, mit den Tattoos am ganzen Körper, der mich umbringen will, hat mich nicht aus den Augen gelassen. Er macht einen Satz auf mich zu und stösst einen kehligen Laut aus. „Du gehst nirgendwo hin, ich kann dich zwar nicht töten, aber das schliesst anderes nicht aus.“ Er grinst mich unheimlich an, mir läuft es kalt den Rücken runter. Ich habe definitiv keine Lust, von dem vermöbelt zu werden. Also laufe ich los. Zuerst nur langsam, dann immer schneller, bis ich nur noch ein Strich in der Landschaft bin. Die Blätter des Waldes, in den ich gelaufen bin, fliegen nur so an mir vorbei. Ich springe über Büsche, Äste und sogar über kleine Bäume. Hinter mir ist immer noch der Typ mit den Tattoos, er holt mich nicht ein, fällt aber auch nicht zurück. Also laufe ich weiter.
Immer weiter. Ich spüre, wie meine Kraft langsam nachlässt, doch ich will nicht aufgeben, ich darf nicht aufgeben.
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