"Kalt, tot und blau" - Eine Geschichte von Dara Maltseva - Young Circle

«Kalt, tot und blau» – Eine Geschichte von Dara Maltseva

Member Stories 2023

«Kalt, tot und blau» – Eine Geschichte von Dara Maltseva

Paul träumte von einem einsamen Nordmeer, von Stille und Ehrfurcht vor der Majestät des Ozeans. Als er sich dem Wasser hingab, fühlte er, dass er endlich seinen Platz in der Welt gefunden hatte. Doch ein unbekannter Blick störte seine Idylle und führte zu einer unerwarteten Rettung aus den Fluten. Paul erwachte am Ufer, hustend und verwirrt, während der Fremde, der ihn gerettet hatte, verschwunden war. Die Leere umgab ihn.

Paul träumte von dem kalten Nordmeer, das in unruhigen blauen Wellen über die felsige Küste rollte. Er selbst ging gemächlich auf den Horizont zu, der von dicken Wolken verdeckt war. Es gab keine Zeit, keine Menschen, keine Geräusche – nur das weite Meer und ihn allein. Es schien, als sei die ganze Welt still, der Planet entschleunigt, und nur das Meer, das feste Meer umgab ihn, hüllte ihn mit seiner weichen Hülle ein. Das Wasser schien wie gezeichnet zu sein, so ruhig und still. Es gab keine Unruhe, keine Aufregung – nur Leere und Stille. Der Himmel, eingehüllt in ein weites Tuch aus grauen Wolken, war verschwiegen und emotionslos, als würde er ihn selbst widerspiegeln. Eine einsame Welle schmiegte sich einladend an seine Füsse, als wolle sie ihn aufs Meer hinauslocken. Paul verspürte einen unwiderstehlichen Drang, sich in die sanfte Strömung zu stürzen, sich der eisigen Strömung hinzugeben und einfach nur dem Wind eines kleinen Sandkorns hinterher zueilen. Er hatte bereits einen Schritt auf das Wasser zugemacht, doch dann störte etwas Unsichtbares seine kleine Idylle. Der Seufzer oder der Blick eines anderen liess ihn sich umsehen, aber um ihn herum war nichts als weisse Felsen und kaltes Wasser. Der Mann machte einen Schritt auf die Strömung zu und war überrascht, wie natürlich und richtig sich das Wasser im Meer anfühlte. Es war, als hätte er endlich seinen Platz und den Sinn der Existenz gefunden. Ein weiterer Schritt. Das Wasser bedeckte ihn fast vollständig und er war bereit zu schwören, dass er noch nie in seinem Leben eine so sanfte, ehrfürchtige Berührung gespürt hatte. Das Wasser – weich, so heimatlich und nah, allem ähnlich und zugleich unvergleichlich, winkte, zog mich an, sanft und unausweichlich. Der Himmel, die Erde, die Sterne und die Sonne – alles war im Hintergrund, reduziert auf die Größe eines goldenen Sandkorns, vor der Majestät des Meeres. Er wurde mit dem Meer. Er wurde das Meer.

Ein letzter Schritt. Die blaue Oberfläche schloss sich über seinem Kopf und das Wasser begann langsam seine Lungen, seinen ganzen Körper und sein Wesen zu füllen. Es war nicht schmerzhaft, wie es beim Ertrinken der Fall ist, und er versuchte nicht, sich in irgendeiner Weise zu wehren. Er erkannte, dass er dort auf der Erde die ganze Zeit ertrank, und hier fand er den lang ersehnten Frieden des Geistes. Doch dann wurde er von demselben unbekannten Blick gestört. Er durchbrach das ganze Gefühl des Friedens, brach wie ein Wirbelwind in sein Bewusstsein ein und liess ihn nicht mehr los. Paul schloss die Augen, um ihn loszuwerden, doch in derselben Sekunde packte ihn jemand am Arm. Mit eisernem Griff zog ihn der Fremde nach oben, und Paul wehrte sich, so gut er konnte, als würde ihm das Wertvollste in seinem Leben genommen werden. Aber die Hand war unerbittlich, und bald lag er schwer atmend am Ufer wie ein ausrangierter Fisch. Seine Augen brannten plötzlich und er hustete einen schmerzhaften Husten, der seine Beine zittern und seine Brust verkrampfen liess. Der Fremde war nirgends zu finden. Dann schloss Paul für einen Moment die Augen, um sich von dem unangenehmen Gefühl zu erholen. Als er sie wieder öffnete, war da nichts als weisse Leere.

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