Hier kannst du dir die Geschichte auch anhören:
Riri blieb der Mund offenstehen. Woher wusste die elektrische Pfeffermühle, wie Riri hiess? Und weshalb wusste sie, dass Riri kommen würde? Diese und noch viele weitere Fragen türmten sich in ihrem Kopf auf.
«Na, was ist? Gehen wir endlich? Oder hältst du deine Versprechen nicht?», wollte die elektrische Pfeffermühle wissen.
Riri atmete kurz durch. Diese vielen Fragen brachten sie ganz durcheinander. Hastig sah sie um die Ecke in den Flur. Anton kam lächelnd auf sie zu. Nun musste Riri blitzschnell ihre Gedanken ordnen. Gerade rechtzeitig, bevor Anton über die Türschwelle trat, griff sie nach der elektrischen Pfeffermühle, liess sie unauffällig in die Jackentasche gleiten und stiess die Schranktür mit dem Knie zu. Riri wendete sich zu Anton um und lächelte freundlich.
«Alles ist in bester Ordnung! Sie haben keinen Herdreiniger oder Spülmaschinenmittel oder Entkalker oder Schwämme oder Seife zusammen mit Lebensmitteln in einem Schrank. Sie sind ein vorbildlicher Bürger. Wir können froh sein, dass Sie in unserer Stadt leben», erklärte Riri ihm. «Vielen Dank dafür, dass Sie sich extra Zeit genommen haben, um an dieser wichtigen Umfrage teilzunehmen.»
Anton grinste breit. «Möchtest du noch zu einem Tee hier bleiben?», fragte er.
«Äh, nein danke», stotterte Riri ein bisschen aufgeregt. Immerhin hatte sie gerade etwas aus Antons Wohnung gestohlen. Sie bemerkte seinen prüfenden Blick. «Ich muss noch weitere Bürger kontrollieren und ihnen klarmachen, wie wichtig es ist, Lebensmittel und Chemikalien voneinander fernzuhalten. Es sind ja nicht alle so vorbildlich wie Sie», plapperte Riri. Sie lief zur Türschwelle, wo ihr jedoch Anton im Weg stand. So direkt vor ihr sah er schon ziemlich gross aus. Aber er schwenkte zur Seite und lächelte Riri freundlich an. Doch er hatte ein heimtückische Funkeln in seinen Augen, und das beunruhigte Riri ein bisschen.
Deshalb lief sie genauso schnell, dass es noch einigermassen normal wirkte, zur Tür und öffnete sie. «Nochmals vielen Dank, dass Sie so bereitwillig waren und mir … ähm … und an dem Interview … äh, also der Umfrage teilgenommen haben.» Riri kam normalerweise nie ins Stottern, aber das Beängstigendste an der Warnung war, dass sie vermutete, es könnte so sein.
Nachdem sie sich verabschiedet hatte und endlich draussen war, lief sie über den Bürgersteig an einigen Bäumen vorbei. Am Himmel brauten sich dunkle Wolken zu einem Gewitter zusammen. Riri sah zurück zum Haus von Anton. Es war eine schöne Gegend in der Nähe des Flusses und der Altstadt, wo sich ja auch die Brockenstube von Herrn Lethe befand. Riri entschloss sich, dorthin zu gehen und die elektrische Pfeffermühle zur mechanischen zu bringen und von der Brockenstube aus ihren Vater anzurufen, und zwar mit einem der alten Telefone, die hinter ein paar edlen Sekretären an der Wand hingen. Viktor würde sie bestimmt abholen, denn sie wohnten nicht so nahe, dass sie nach Hause laufen konnte. Riri spürte einige Regentropfen, die sanft auf ihrer Haut landeten. Ein Blitz zuckte durch die Wolken, und wenige Augenblicke später war ein Donner zu hören, der noch lange in Riris Ohren hallte.
Der Regen war stärker geworden und die Regentropfen wurden immer schwerer und grösser. Die Wolken am Himmel waren jetzt beinahe schwarz. Riri beschleunigte ihre Schritte, bis sie schliesslich rannte. Sie überquerte eine Brücke und hielt die Pfeffermühle in der Jackentasche fest, damit diese nicht plötzlich herausrutschte und am Ende noch im Fluss landete, denn Riri war auch so schon genug nass. Sie rannte die Strasse hinauf und bog in eine unauffällige Seitengasse ein. Sie spürte, wie die Pfefferkörner in der Mühle hin und her geschüttelt wurden.
Als Riri die Brockenstube erreichte, war das Schild an der Tür auf Geschlossen gedreht. Sie hämmerte mit den Fäusten gegen die Ladentür und schrie Herrn Lethes Namen. Endlich erschien das ahnungslose Gesicht des Brockenstubenbesitzers hinter der milchigen Glasscheibe und die Türe wurde geöffnet.
«Riri, was ist denn mit dir los? Dein Vater macht sich schon Sorgen um dich, er ist hier bei mir», wurde sie von Herrn Lethe begrüsst. Viktor erhob sich aus einem knautschigen Sessel, sein Gesicht lag in Falten, wie Riri es bei ihm noch nie gesehen hatte. Sie stürmte an den beiden Männern vorbei zur Küchenabteilung, genauer gesagt zum Regal der mechanischen Pfeffermühle. Riri stockte der Atem, das Regal war leer. Viktor und Herr Lethe traten zu ihr. Sie konnte Herrn Lethes Miene nicht erkennen, weil das grosse Regal im flackernden Licht der Kronleuchter düstere Schatten auf sein Gesicht zeichnete. Nach mehreren endlos langen Sekunden, wie es Riri vorkam, brach Herr Lethe die Stille.
«Meine Befürchtungen haben sich bestätigt», sagte er.
Verfasst von Isabelle M. aus Bern, 14 Jahre