"Ich bin ein Emoji: Holt mich hier raus!!!" – eine Geschichte von Jael Lorenz - Young Circle

«Ich bin ein Emoji: Holt mich hier raus!!!» – eine Geschichte von Jael Lorenz

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«Ich bin ein Emoji: Holt mich hier raus!!!» – eine Geschichte von Jael Lorenz

Also: Unser Emoji klettert zum Rand und steigt die ersten Reihen hinauf, bis es ganz oben ist. Dann schnappt es sich eine Teetasse und tut so als würde es einfach nur nach drüben gehen, um auf der anderen Seite wieder hinunterzugehen. Doch als niemand hinschaut spring es sofort zum Papierkorb.

Kennt ihr das Gefühl, wenn ihr irgendwo eingesperrt seid. Einem Emoji geht es Jeden Tag so. Es sitzt in seinem Feld und wartet darauf, bis es verschickt wird.  Denn nur dann ist es frei und kann im Internet herumschwirren. Das Emoji, von dem ich euch erzähle, ist schon seit der Erschaffung seines Handys an seinem Platz. Es ist ein sehr langweiliges Emoji, weshalb es nie verschickt wird und somit auch nie freikommt.  Außerdem ist es wohl das einzige Emoji, welches wirklich Probleme damit hat, nicht verschickt zu werden. Alle anderen Dauergäste haben Freundschaften geschlossen, Freizeitgruppen gegründet oder sich sogar verliebt. Nur unser Emoji nicht. Das arbeitet Tag und Nacht an einem Fluchtplan. Und die Planung geht (zum Glück) langsam dem Ende entgegen. Schon heute Nacht will es den Ausbruch wagen. Für den Umstand, dass es schon seit Jahren an diesem Plan arbeitet, ist er eigentlich ziemlich simpel: etwas Müll aus dem Papierkorb holen, in den Textbereich klettern und den Müll auf die “Senden”-Taste schießen. Das wäre schon alles. Es gibt nur ein Problem: die oberste Reihe. Dort sitzen so etwas wie die Wächter der Emojis. Sie sind eingebildet und stark. Doch auch Emojis haben Routinen, die tägliche Tee Zeit zum Beispiel. Und genau das ist die Chance für unseren kleinen Freund. Das großartige ist, dass die Tee Zeit genau auf die Nacht fällt. Also entweder schlafen alle oder trinken Tee. Das Allerbeste ist aber, dass es jetzt losgeht mit der Flucht. Toll, oder? Also: Unser Emoji klettert zum Rand und steigt die ersten Reihen hinauf, bis es ganz oben ist. Dann schnappt es sich eine Teetasse und tut so als würde es einfach nur nach drüben gehen, um auf der anderen Seite wieder hinunterzugehen. Doch als niemand hinschaut spring es sofort zum Papierkorb. Es öffnet die Klappe zum Papierkorb, reißt ein Kabel aus einem neben ihm liegenden Kabelkanal heraus, bindet es sich um den Bauch und springt. Das Kabel federt den Sturz gut ab und lässt es sanft über dem Abfall schweben.  Es greift nach unten und nimmt sich eine Hand voll Müll. Alles verläuft wie nach Plan. Es zieht sich am Kabel wieder hoch und ist schon fast oben, als ein Geräusch zu hören ist.  Es gib einen kräftigen Ruck und das Kabel reißt. Na, ganz toll. Jetzt sitzt unser Emoji auf dem Boden, des Papierkorbs, mit einem halb abgerissenen Kabel. Zum Glück hat der Papierkorb, wie ein normaler Papierkorb häufig auch, am Rand kleine Löcher, an denen man super hochklettern kann.  Doch es scheint ein längeres Unterfangen zu werden. Erster Versuch: etwa zwei Zentimeter (der ganze Korb ist etwa 2m hoch). Zweiter Versuch: 30 Zentimeter. Das ging etwa zwei ganze Stunden so. Doch beim 274 Versuch kam es bis oben, doch als es oben auf dem Rand stand und nach dem restlichen Kabel griff, um den letzten Abschnitt zum Textbereich zu schaffen, kam unser tollpatschiges Emoji ins Schwanken und fiel Kopfüber neben den Papierkorb. Es schlug unten auf und blieb einen kurzen Moment liegen. Dann versuchte es wieder hinaufzuklettern. Diese Versuche scheiterten jedoch kläglich, da er nun auf der überhängenden Außenseite des Papierkorbs klettern musste. Was unser Emoji jedoch nicht wusste, war, dass die Außenwand des Papierkorbes jede halbe Stunde elektrisch geladen wird. Dies musste es exakt dann feststellen, als es weiter war als jemals zuvor. Plötzlich kam ein heftiger elektrischer Schlag und das Emoji wurde weit vom Papierkorb weggeschleudert. Es flog über Apps, Tastaturen und alles, was in einem Handy sonst noch so ist. Wie sollte es nun zum Papierkorb zurückkommen und von da zum Textbereich? Es ärgerte sich und fing fast an zu weinen. Es stand vom Boden auf und begann ziellos durch die Apps zu laufen. Einige Male hatte es das Gefühl den Papierkorb zu sehen, doch es entpuppte sich jedes Mal als Täuschung. Nach einigen Stunden vergebener Suche ließ es sich erschöpft auf den Boden fallen. Es dachte sehr lange und sehr intensiv nach. Es sah sich um, schloss die Augen und dachte wieder nach. Irgendwann wurde ihm bewusst, dass es jetzt eigentlich freier war als vorher. Es saß nicht mehr in der Tastatur fest und nichts konnte ihn dorthin zurückbringen. Er musste nicht mehr abgeschickt werden. Ihm wurde nun auch bewusst, dass, er von jetzt an tun und lassen konnte, was er wollte. Denn jetzt war er frei und er würde es auch bis an sein Lebensende bleiben.

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