Hier kannst du dir die Geschichte auch anhören:
Überrascht griff Riri nach der elektrischen Pfeffermühle. «Ach, da bist du ja!» Zackig schwang sie ihre Tasche nach vorne und öffnete den Reisverschluss. «Komm, ich steck dich da hinein, so wird der seltsame Anton dich sicher nicht sehen. Im Nullkommanichts sind wir draussen, ich muss dich unbedingt zur alten Pfeffermühle bringen. Die will der etwas ganz Wichtiges sagen», fügte Riri noch hinzu und liess die elektrische Pfeffermühle in ihre Tasche gleiten. Doch noch bevor sie ganz darin verschwunden war, rief die elektrische Pfeffermühle ganz laut: «Ach, der seltsam Anton, der wäre doch so wie so viel zu dumm, um mich zu entdecken! Ein Spatzenhirn hat der!»
Völlig perplex starrte Riri die elektrische Pfeffermühle an. «Psst! Was soll das? Das hat er garantiert gehört!» Riri hält einen Moment inne, in der Erwartung, jede Sekunde Antons Schritte zu hören. Es tut sich nichts. Weitere Sekunden verstreichen. Kein Laut. «Siehst du, taub ist er auch noch, nicht nur dumm, der hört uns nimmer!» Riri hätte niemals gedacht, dass Pfeffermühlen so laut sein könnten. «Was ist nur los mit dir? Sei still! Sofort!» Riri wollte den Reisverschluss zuziehen und da waren sie. Die Schritte.
«Soso, ich bin nicht nur dumm, sondern auch gleich noch taub. Ziemlich ungehalten für einen Gast.» Riri wirbelte herum und schaute Anton direkt ins Gesicht. «N… nein, Sie verstehen das falsch… Ich war das nicht!» Der seltsame Anton begann zu grinsen. «Ich glaube, die Einzige, die hier einiges falsch oder wohl eher gar nichts versteht, die bist du! Stimmt’s Nina?» Nina? Riris Verwirrung war jetzt perfekt. «So ist es!»
Vor Schreck liess Riri ihre Tasche fallen. Die Stimme gehörte der elektrischen Pfeffermühle. «Los, Anton hilf mir raus hier!» Riri stand da, schaute abwechselnd die elektrische Pfeffermühle und Anton an und verstand nichts. Nina? War das der Name dieser Pfeffermühle? Anton wusste also Bescheid, dass sie sprechen konnte? Aber warum will sie jetzt plötzlich nicht mit Riri ins Broki? Vorhin war sie doch gewillt mitzukommen. Oder etwa nicht?
Anton ging auf Riris Tasche zu und zog die elektrische Pfeffermühle heraus. «Aber klar helfe ich dir, Nina» Aha, es war also wirklich ihr Name! «Hast du unserer lieben Freundin her denn schon alles erzählt?», fuhr er mit einer zuckersüssen Stimme fort. Unheimlich, wie Riri fand. «Wie, alles erzählt?», wollte Riri wissen.
Anton verschwand aus der Küche, kehrte aber sofort mit einem Stuhl wieder zurück. «Vielleicht wäre es besser, wenn du dich dafür hinsetzen würdest.» Zögerlich setzte Riri sich hin. Langsam bekam sie Angst. Warum sollte sie sich setzen? Das sagen sie doch in Filmen immer, wenn jemandem eine schlimme Nachricht überbracht werden sollte. War etwas passiert? Ein Unfall? Ihre Familie? Aber weshalb sollte es dann ausgerechnet Anton erfahren haben und sie noch nicht?
Blitzartig schoss Antons Hand an Riri vorbei. Erst da wurde ihr bewusst, dass er sie vorhin hinter seinem Rücken versteckt hielt. Sich zu überlegen weshalb, dazu kam Riri nicht, denn schon schlang sich etwas um sie. Um ihren Bauch, dann um den Stuhl und schliesslich wurde es eng. Ein Seil. Erst verschlug es Riri den Atem, doch dann begann sie zu schreien. Aus vollem Halse. «Hilfe! Hilfe! Ein Kidnapper!»
«Mist, halt doch die Klappe!» Hastig hechtete Anton in die Küche, packte einen Waschlappen und stopfte ihn Riri in den Bund. Sie verstummte. Ihre Hände waren ebenfalls an den Stuhl gefesselt. «Alles nur zu deinem Besten.» Antons zuckersüsse Stimme war zurück. «Wir hätten eine ganz kleine Bitte an dich, sobald sie erfüllt ist darfst du auch sofort wieder gehen, versprochen!»
«Ja», fuhr Nina fort, «und zwar bezüglich dieser ollen Pfeffermühle im Broki.» Sie machte eine kurze Pause. «Du erinnerst dich sicher an ihre Kurbel. Die grosse, schwere, an der man drehen muss, damit sie zu sprechen beginnt. Diese Kurbel ist, was wir brauchen! Und du sollst sie uns besorgen!»
Riri schwieg. Etwas anderes blieb ihr gar nicht übrig, einerseits wegen dem Waschlappen in ihrem Mund, andererseits da sie nichts zu sagen hatte. Nur zu schreien hätte sie. Langsam wurde ihr bewusst wie absurd die ganze Situation hier war. Sie wurde von einem Verrückten an einen Stuhl gefesselt, damit eine sprechende Pfeffermühle namens Nina sie dazu zwingen konnte, die Kurbel einer Pfeffermühle in einem harmlosen Broki zu entwenden.
«Mmnngg» Riri versuchte mit der Zunge den Lappen aus ihrem Mund zu drücken. Was wenn sie sich einfach weigerte, die Kurbel zu stehlen? «Das wird nichts, Kleine, lass es lieber gleich.» Antons Stimme machte Riri rasend. Sie begann, um sich zu schlagen, erst mit den Armen, dann mit den Füssen, bis sich plötzlich der ganze Stuhl samt Riri einen halben Meter nach hinten bewegte und mit aller Wucht gegen die Wand knallte. Der Stuhl knirschte und knarrte laut, dann gab er nach und Riri sass auf dem Boden. Sie brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, was passiert war. Sie spürte plötzlich die Bruchstücke unter ihren Oberschenkel und auf einmal realisierte sie, dass der Stuhl zerbrochen und sie frei war.
Riri ergriff die Chance, bevor irgendjemand, oder irgendetwas, sie aufhalten konnte, und stürmte los. Sie rannte geradewegs aus der Küche hinaus ins Wohnzimmer und dann in den Flur. Dann blieb sie ruckartig stehen. Im Flur hatte gab es vier Türen. Vier Türen, die alle gleich aussahen, und keine von ihnen machte den Eindruck, nach draussen zu führen. Mist! Irgendwo hier war sie doch reingekommen. Sie rannte zur ersten Tür, schlug sie auf, doch dahinter war nur ein dunkler Raum. Im selben Moment kam Anton angestürmt. Riri sah keinen anderen Ausweg, also schlüpfte sie durch die Tür und verriegelte sie von innen.
«Ah, da bist du ja wieder!»
Riri blinzelte. Ihre Augen gewöhnten sich langsam an das spärliche Licht, und jetzt erkannte sie – den sprechenden Hund! «Bitte, bitte kannst du mir hier raushelfen?», flehte Riri ihn an.
«Weisst du, im Grunde verstehe ich Nina ja. Sie braucht die Kurbel!», sagte der Hund.
«Du bist auch auf deren Seite!», rief Riri empört aus.
«Nein, hör zu. Nina ist verliebt. Ja, auch Küchengeräte können sich verlieben. Und zwar in Tom, die elektrische Pfeffermühle unseres Nachbarn. Das Problem ist, dass er nicht mehr sprechen …»
In dem Moment brach die Tür ein. Im Türrahmen stand Ronald mit feuerrotem Kopf. Und mit einem Gartenschlauch in der Hand.
Verfasst von Gian-Andrea C. aus Wolfhausen, 16 Jahre