Als ich die Zimmertür öffnete, konnte ich meinen Augen nicht trauen. Da stand er, mitten im Raum, mit dem Rücken zu mir gewandt. Er regte sich kein Bisschen, als ich das Zimmer langsam betrat und einige vorsichtige Schritte auf ihn zu machte. Jetzt stand er also direkt vor mir und doch war er so weit weg. Ich ging um ihn herum, um sein Gesicht sehen zu können. Ich blickte hoch, vorbei an seinen weichen Lippen, seiner Stubsnase und seinen Sommersprossen, bis ich schliesslich bei seinen smaragdgrünen Augen ankam. Aber die Farbe war verblasst. Wir sahen uns in die Augen, doch ich hatte das Gefühl, durch ihn hindurch zu schauen. So leer war sein Blick. «Das bist du doch nicht!», schluchzte ich verzweifelt, doch er reagierte nicht. Ich drehte mich ab, weil ich es nicht ertragen konnte, ihn so zu sehen. Das Licht in seinen Augen leuchtete nicht mehr so, wie es das früher immer getan hatte, wenn er mich ansah oder mir von seinen Träumen erzählte. Pilot wollte er werden, ganz hoch über den Wolken fliegen. «Dann wäre ich frei wie ein Vogel», hatte er dann immer gesagt. Bei dem Gedanken daran strich ich sanft über das Kolibri Tattoo, das meine linke Schulter zierte. Ich wünschte, er könnte es sehen. Ich wandte mich ihm noch einmal zu und versuchte, ein letztes Mal mit ihm in Verbindung zu kommen, ihn zu sehen, zu spüren, so wie früher. Ich griff nach seiner Hand, doch ich konnte sie nicht greifen, fühlte sie nicht. Ich schaute ihn verzweifelt an und fing an zu beten, ihn doch wenigstens ein letztes Mal halten zu können, mit ihm zu sprechen und ihn zu küssen. Das war alles, was ich wollte. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass alles wieder so wird, wie es vorher war. Als er noch da war, bei mir. Es gab nichts, was ich nicht dafür tun oder geben würde, ihn noch ein einziges Mal vor mir zu haben. Als Mensch. Fleisch und Blut. Nicht nur in meinem Kopf. Als Geist in meinem Raum.
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