"Fremde im Park" – Eine Geschichte von Céline Scheuzger - Young Circle

«Fremde im Park» – Eine Geschichte von Céline Scheuzger

Member Stories 2024

«Fremde im Park» – Eine Geschichte von Céline Scheuzger

In einem Park, unter einem Kirschblütenbaum, treffen sich eine Frau und ein geheimnisvoller Mann, die sich beide in ihren Gedanken verlieren. Während sie nebeneinander auf einer Bank sitzen, verbindet sie nur ein Sonnenstrahl, der die Bank golden erleuchtet. Nachdem der Mann den Park verlassen hat, bleibt die Frau zurück und fragt sich, ob ihr stiller Begleiter je wirklich existierte.

Sie war kaum zehn Jahre alt geworden, als ihr bewusst wurde, dass sie für ihn schwärmte. Sechs Jahre später trafen sie sich in einem Park, wo die Sonnenstrahlen durch die Zweige des Kirschblütenbaums eine goldene Spur auf den Parkboden warfen und die beiden Verliebten miteinander verbanden. Die Augen des blonden Jungen erinnerten sie an die Blätter des Waldes im Sommer, so frisch und hell, dass sie sich in ihnen zu verlieren drohte. Aber Menschen ändern sich, und die Wege der beiden trennten sich nach einem Jahr. Heute konnte die Frau sich nur wünschen, dass die Liebe so unbekümmert war, wie sie es in diesem Moment war.

Die Frau saß in einem Park, auf einer Bank, vor einem Kirschblütenbaum. Früher am Tag war sie durch den Park geschlendert, ihre Absätze erzeugten ein vernehmliches Geräusch, wenn sie mit dem goldfarbenen Weg, auf dem sie schritt, in Berührung kamen, als ihre Augen diesen herrlichen Platz entdeckten. In ihren behandschuhten Händen hielt sie einen kleinen Spitzenschirm, während die Frische der Umgebung sie einhüllte. Sie schloss die Augen und bemerkte nicht, wie sich ein Mann neben sie setzte. Eine Hand umklammerte einen Gehstock, die andere seinen Zylinder von seinem blonden Haar abnahm, während seine smaragdgrünen Augen zum Himmel schwebten. Die beiden saßen schweigend da. Kein Wort kam aus ihren Mündern, kein Blick wurde ausgetauscht, nichts. Nur zwei Fremde, die sich eine Bank teilten, über ihr Leben nachdachten und von einem anderen träumten. Die einzige äußere Verbindung, die die beiden in diesem Moment hatten, war der Sonnenstrahl, der auf die Bank fiel und sie in eine goldene Farbe tauchte. Dennoch saßen die Frau und der Mann schweigend da. In ihrer Vergangenheit haben beide auf vielen Bänken, unter vielen Bäumen, in vielen Parks gesessen, aber diese eine spezielle Bank, unter diesem einem speziellen Baum, in diesem einem speziellen Park, gab den beiden das Gefühl, so sorglos zu sein wie ein Kind. Nach einer Weile stieß sich der Fremde mithilfe seines Gehstockes von der Bank ab, platzierte seinen Zylinder wieder auf sein blondes Haar und setzte mit seinem Stock in der Hand seinen Weg durch den Park fort. Wenig später öffnete die Frau ihre Augen. Einen Augenblick lang blieb sie sitzen, bevor auch sie ihren Spaziergang fortsetzte und in die entgegengesetzte Richtung aufbrach. Der Fremde war nicht mehr da, als sie sich aufmachte. In ihren Augen hatte er nie wirklich existiert.

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