Ich hörte nur einen lauten Knall, und da lag er neben mir auf der Strasse. Sofort kniete ich mich neben ihn hin. Ich schrie um Hilfe, sein Kopf blutete. „Milo!“ ich rief ihn bei seinem Namen. Keine Antwort. Ich prüfte seinen Atem, seinen Puls. Er war bewusstlos. Wird er sterben? Ein Mann stieg aus dem Auto. „Rufen Sie einen Krankenwagen, beeilen Sie sich doch! Bitte, er wird sterben!“ ich flehte den Mann an, und er wählte den Notruf. Es war ein kalter Tag und man konnte im schwachen Laternenlicht seinen Atem in kleinen Wölkchen sehen. Milos Hände fühlten sich kalt an also legte ich meine Jacke um ihn. Gerade eben war alles noch gut, wir lachten zusammen und bummelten durch die Stadt. Aber dann musste dieser Wahnsinnige durch die Strassen rasen. „Ihr habt mein Auto zerstört! Hättet ihr aufgepasst-“ „Wir? Wir haben was? Es war kein Auto weit und breit, da mussten Sie um die Ecke gerast kommen! Sie gefährden ein Menschenleben, da kümmert man sich doch nicht um seinen Wagen!“ schrie ich den Mann an. Ausserdem war sowieso nur sein Scheinwerfer etwas kaputt. Für so etwas will er uns beschuldigen? Nein, danke da hat er die Schuld zu tragen. Schon bald hörte man Sirenen, und der Krankenwagen parkte neben uns. Zwei Sanitäter stiegen aus. „Bitte, helfen sie ihm, er blutet am Kopf!“ „Keine Sorge junge Dame“, sagte eine Sanitäterin und legte eine Decke um mich, „Sie zittern ja! Aber das mit der Jacke haben Sie gut gemacht.“ Sie fing an, Milo zu verarzten. Der zweite Sanitäter fragte den Raser, ob die Polizei verständigt wurde. „Noch nicht, aber ich komme zu spät zu meinem Termin!“ meinte er. „Es gibt gerade viel Wichtigeres! Los!“ antwortete der Sanitäter, während er eine Bahre aus dem Wagen schob. Der Rest ging ganz schnell: ich durfte im Wagen mitfahren zum Krankenhaus und Milo wurde in den OP gebracht. Und dann sass ich einfach da im Spital auf einem Sessel hoffend, dass alles gut wird.
Es vergingen Tage, Wochen die ich zu Hause verbrachte. Irgendwann durfte ich ihn besuchen kommen. Ich schluckte, als ich ihn sah. Er sass in seinem Zimmer am Fenster in einem Rollstuhl. „Hallo…“ sagte ich leise. Er drehte seinen Stuhl zu mir um. Mit glasigen Augen entgegnete er mir: „Dieser Mann, er hat mir meine Freiheit genommen… Ich sehe aus dem Fenster in den Park, die Kinder springen und rennen umher. Ich werde das nie wieder können! Nie!“ Tränen flossen über sein Gesicht, ich ging zu ihm und umarmte ihn. „Aria, ich werde nie wieder laufen können. Ich bin gefangen, ein Krüppel. Nie wieder frei.“ Ich war so geschockt, wie er über sich sprach, so schnell konnte ein Leben eines jungen Menschen zerstört werden. „Ich habe Blumen mitgebracht“, meinte ich, „und bitte sag das nicht! Du bist kein Krüppel! Du bist nicht gefangen, du bist frei wie wir anderen auch! Vielleicht kannst du nicht mehr gehen, aber du hast immer noch deinen eigenen Willen! Deine Meinung!“ „Aber wie kann ich so noch irgendetwas tun? Ich bin an diesen Stuhl gefesselt!“ „Alles, du kannst alles. Einfach auf eine andere Art, ich zeige es dir!“ Ich stellte mich hinter ihn und schob ihn aus dem Zimmer. „Wo gehen wir hin?“ „Du vermisst doch den Park, also gehen wir!“ entgegnete ich Milo und lächelte ihn an. Draussen angekommen, schob ich ihn einen kleinen Weg entlang, man hörte die Vögel, und man roch die Blumen. Es war anfangs Frühling. „Hörst du die Vögel?“ „Ja, wieso…?“ fragte er verwirrt. „Siehst du, du kannst alles noch, du bist frei wie ein Vogel!“ Er musst etwas lachen bei meiner Antwort und ich schon ihn weiter. Schon bald erkannte man den Park, die Springbrunnen, die Blumen, die in einem Muster angepflanzt waren und anfangs des Parks stand ein Eiswagen. „Ist es nicht noch ein bisschen zu kalt für ein Eis?“ fragte Milo. „Hmm… ich hätte jetzt Lust darauf!“ Er lachte: „Dann nehme ich auch eins!“ Wir bestellten uns ein Eis und machten eine Runde im Park. Bei einer Parkbank schob ich Milo daneben und setzte mich hin. „Es musste ein Riesenschock gewesen sein für dich.“ sagte Milo. „Was?“ „Der Unfall, ich im Rollstuhl…“ meinte er. „Natürlich war es das, ich wollte dich doch nicht verlieren!“, Tränen füllten meine Augen, „und ja, das mit dem Rollstuhl auch, aber du darfst es nicht negativ sehen! Du kannst mit ein paar Einschränkungen weiterleben. Ich weiss, du hast es er kürzlich erfahren aber bitte…“ erklärte ich. „Ich weiss jetzt, was du meinst, ich bin frei, wie du.“ er lächelte und ich lächelte zurück. „Also wo soll es als nächstes hingehen, Captain?“ frage ich lachend und stand auf. „Warte, ich wollte dir noch sagen, dass…“ „Was denn?“ ich drehte mich zu ihm. „Dass ich eigentlich selbst fahren kann, aber ich fand es gerade einfach toll, dass du mich schiebst.“ grinste er. „Na warte…“ ich lachte und wir konnten einen so schönen Tag zusammen verbringen, wie der vor dem Unfall. Man muss nicht immer das schlechte in allem sehen. Wenn man das Geschenk des Lebens schon bekommt, sollte man frei sein und es geniessen!