"Die Wahrheit über Dean West" – eine Geschichte von Lya Neuenschwander - Young Circle

«Die Wahrheit über Dean West» – eine Geschichte von Lya Neuenschwander

Member Stories 2022

«Die Wahrheit über Dean West» – eine Geschichte von Lya Neuenschwander

Je mehr Dean mir erklärte was los war, desto mehr verstand ich seine Lage. «Du hast eine Datei mit sämtlichen geheimen Daten gestohlen und die CIA sucht dich deswegen schon seit drei Jahren.», fasste ich gerade zusammen. Er nickte langsam.

Da stand er nun vor mir. Lebendig. Ich blinzelte, doch er war immer noch da. «Wie ist das möglich?», flüsterte ich. Der junge Mann blieb stumm und klammerte seine Hände fester um seine dunkelblaue Sporttasche. Sein schwarzes T-Shirt war dreckig und die Jeans waren zerschlissen. Er wirkte sportlich und sah dem Jungen der er vor drei Jahren war, kaum ähnlich. Schliesslich atmete er tief aus und kam einen Schritt näher. «Kann ich reinkommen?» Seine Stimme klang ernst. Überrascht nickte ich und liess ihn in meine Parterrewohnung herein. Er betrachtete das chaotische Wohnzimmer. Ich sah ihn entschuldigend an und räusperte mich. «Soll ich deine Sachen waschen?», fragte ich und band mein braunes Haar zusammen. «Leider reicht es von der Zeit her nicht.», sagte er. Beschämt starrte ich auf den Marmorboden. «Wäre es okay, wenn ich das Badezimmer benutze?» Ich nickte. Ein wenig später hörte ich Wasser rauschen. Erschöpft liess ich mich auf die beige Couch fallen und wartete auf ihn.

Etwa zehn Minuten später kam Dean heraus. Er trug zum Glück einen neuen schwarzen Hoodie, graue Jeans und schwarze Nike Schuhe. Sein schwarzes Haar war noch nass, doch das schien ihn nicht zu stören. Mein Blick wanderte zu seinem Hals. Ich erkannte dass Dean eine Militärkette trug. «Ich muss mit dir reden.», sagte er. «Versprich mir dass du mit niemandem darüber sprichst, verstanden?» Ich schluckte und nickte langsam. Dean sah mich ernst an und seufzte. «Ich bin auf der Flucht.», sagte er nur. Wütend funkelte ich ihn an. «Du giltst seit drei Jahren als vermisst und tauchst einfach vor meiner Tür auf! Sag doch etwas!» Er wirkte in diesem Moment verletzlich wie ein Kind. «Weil ich dir vertraue.», antwortete er. «Ich muss die Polizei anrufen, um ihnen zu sagen dass du lebst.», sagte ich und wollte gerade die Ziffern eintippen, als Dean sich mein Handy schnappte und es in die Höhe hielt. «Gib es zurück», forderte ich und versuchte es in die Hände zu kriegen, doch Dean war einen Kopf grösser als ich. «Bitte. Es darf nicht an die Öffentlichkeit gelangen dass ich lebe. Somit würde ich mein Leben mehr riskieren, als es ohnehin schon ist.» Dean sah mich flehend an. Seufzend ergab ich mich. Er behielt sicherheitshalber das Handy in der Hand, damit ich nicht noch auf dumme Gedanken kam. Ich setzte mich wieder und sah ihm direkt in die dunklen Augen. Meine Panik verstärkte sich, doch die Worte liessen mich erst recht unruhig werden. «Ich brauche deine Hilfe, Carmen.»

Je mehr Dean mir erklärte was los war, desto mehr verstand ich seine Lage. «Du hast eine Datei mit sämtlichen geheimen Daten gestohlen und die CIA sucht dich deswegen schon seit drei Jahren.», fasste ich gerade zusammen. Er nickte langsam. «Gibt es einen Grund, weshalb du das getan hast?» Neugierig lehnte ich mich zu ihm herüber. Dean zuckte leicht zusammen und schwieg bis uns ein zaghaftes Klopfen aufschrecken liess. Ich erstarrte kurz und schlich mich an die Tür heran. «Hoffentlich ist es nur Lilly», dachte ich. Ich erlaubte mir einen Blick durch den Türspion und stellte fest das ein ganzes CIA-Team vor meiner Tür stand. Jemand sah mich direkt an. Schnell ging ich in Deckung und ging auf Dean zu. Ich gab ihm ein Zeichen, dass wir verschwinden müssen. In dem Moment als wir aus dem Fenster sprangen stürzten die Agenten herein.

Als der Leitende des Teams realisierte, wie die gesuchte Person aus dem Fenster flüchtete wandte er sich zu seinen Leuten um. «Verfolgen sie ihn!» befahl Mr. Moreno. Die Agenten nickten und nahmen die Verfolgung auf. Kopfschüttelnd blieb er als einziger in der Wohnung zurück. Er suchte einen Hinweis, doch das war nicht mehr nötig als er eine Nachricht von einer unbekannten Nummer erhielt.

«Treffen wir uns am verlassenen Bahnhof und verhandeln. Unter einer Bedingung: Keine Agenten die mir nachhetzen.»

Mr. Moreno wusste sofort um wen es sich handelte und lächelte. Er kontaktierte seine Arbeitskollegen. Bald darauf machten sie sich auf den Weg zum Treffpunkt.

Wir rannten immer noch durch den Wald, obwohl wir die Agenten abgehängt hatten. «Ich kann nicht mehr, Dean!», sagte ich und setzte mich auf einen Baumstumpf. Schliesslich joggte Dean zu mir und nahm seine Kette ab und hielt sie mir entgegen. «Ich möchte dass du die für mich aufbewahrst. Sieh es als Geschenk zwischen zwei Freunden», sagte er leise. «Okay.», sagte ich und kurz darauf fühlte ich auf meinem Dekolleté das kalte Metall der Kette. «Versprich mir nichts Unüberlegtes zu tun, versprochen Dean?» Er nickte, doch tief in mir drinnen wusste ich dass er log.

«Weshalb gehen wir hier hin?», sagte ich und deutete um uns herum. Dean sah mir einen Augenblick in die Augen und schluckte nervös. «Es tut mir leid als ich damals vor drei Jahren einfach abgehauen bin.«, flüsterte er. Ich wollte etwas erwidern, aber dazu kam es nicht, als plötzlich aus allen möglichen Ecken Agenten auftauchten. Wir sassen buchstäblich in der Falle. Dean ging schützend vor mich und verhielt sich ungewöhnlich ruhig. Die Autotür eines schwarzen Lincoln öffnete sich und ein Mann mittleren Alters stieg aus. «So sehen wir uns wieder, Mr. West.», sagte er und lächelte. Sein Blick fiel auf mich. «Wer ist denn die junge Dame?», fragte er. «Niemand.», antwortete Dean kalt. «Oh…dann macht es Ihnen ja nichts aus, wenn ich ihrer ahnungslosen Begleiterin etwas von Euch erzähle, habe ich Recht?», spottete der Agent. Mein ehemaliger Freund reagierte nicht auf die Frage. «Wollte ich überhaupt die Wahrheit über Dean West erfahren?», dachte ich. «Sie werden hinter Gitter landen!», schrie Mr. Moreno. Dean ballte die Hände zu Fäusten. «Ich entschuldige mich für das, was ich getan habe.», gestand Dean. Mr. Moreno legte ihm Handschellen an und führte ihn zum Lincoln. «Wo ist der Datenstick?», fragte Mr. Moreno. Dean legte einen roten Gegenstand in die Hand des Agenten und wurde zum Auto gebracht. «Sie dürfen ihn nicht ins Gefängnis schicken! Bitte, lassen Sie mich mit ihm reden!», flehte ich. Dean schenkte mir ein Lächeln. «Ich werde wieder kommen.», versprach er. Und das tat er auch.

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