"Die traurige Wahrheit der Liebe" – Eine Geschichte von Largo Hornung - Young Circle

«Die traurige Wahrheit der Liebe» – Eine Geschichte von Largo Hornung

Member Stories 2024

«Die traurige Wahrheit der Liebe» – Eine Geschichte von Largo Hornung

In einem ungewissen Moment zwischen Vergangenheit und Zukunft kreuzen sich die Wege einer Frau und eines mysteriösen Mannes dreimal an einem Bahnhof, im Zug und schließlich am Flughafen. Trotz der flüchtigen Begegnungen spürt sie eine tiefe Verbindung und erkennt, dass solche Momente kostbar sind – doch wird sie den Mut finden, das Unerwartete zu ergreifen, bevor es zu spät ist?

Kennst du diese Redewendung von Liebe auf den ersten Blick? Glaub mir, ich wünschte, ich wüsste nicht, was es bedeutet.

Kennst du dieses Sprichwort,  grossem Glück ist nicht zu trauen? Glaub mir, ich wünschte, ich wüsste nicht, was es bedeutet.

Wusstest du, dass alle Begegnungen mit einer Person beschränkt sind? Deine Mutter wirst du zum Beispiel tausende Male sehen; dein Kind vielleicht sogar Millionen Male. Dich selbst wirst du unzählig viel im Spiegel betrachten und doch haben alle diese Begegnungen eins gemeinsam, sie geschehen irgendwann zum letzten Mal.

Mit ihm hatte ich drei Begegnungen, zum ersten Mal sah ich ihn am Bahnhof, dann im Zug und zuletzt beim Flughafen.

Mit mulmigem Gefühl stieg ich in das Taxi. Ich war gerade dabei zu verschwinden. Zu verschwinden aus meinem alten Leben. Man, fühlte sich das komisch an.

Zu seinem Glück konnte mich der Taxifahrer schon wenige Minuten später entlassen. Wäre ich noch länger in seinem Wagen gesessen, hätte er jetzt wahrscheinlich einen Kollaps von meinen ganzen Erzählungen.

Mit erhobenen Hauptes rannte ich in Richtung Bahnhof, auch wenn die Strasse nicht weit von ihm entfernt war, regnete es zu fest, um langsam zu gehen. Und da war meine erste Begegnung mit ihm, er hielt mir wohlwollend den Schirm über den Kopf. Ganz im Klaren, dabei selbst nass zu werden.

Trotz des Wassers, das immer noch in meiner Kleidung steckte, wurde mir erstaunlich warm. Bis heute weiss ich nicht, ob es am Regenschirm oder an ihm lag. Ich tendiere auf ihn.

Wenige Sekunden später verschwand die Wärme allerdings. Mit ihm. Er musste auf ein anderes Gleis, nahm ich an.

Unbeschwert führten mich meine Schritte nun ganz ans Ende des Bahnhofes. Gleis 8. Jetzt wieder bibbernd wartete ich auf meinen Zug. Zu allem Unglück wehte auch noch kühler Wind durch die Bahnhofshalle, ekelhaft.

Mit Mühe trat ich von einem Bein aufs andere, immer wieder. Hin und her.

Nach und nach füllte sich der Steig mit Leuten. Alle wollten sie zum Flughafen. Es gab allerdings zwei Gruppen unter ihnen. Die allzeit entspannten Geschäftsleute, welche höchstens durch ein Telefonat gestresst wurden und die weniger entspannten Feriengänger.

Und dann gab es mich. Die unentschlossene Frau am Bahnsteig Nummer 8. Die nicht mal wusste, ob sie überhaupt in diesen Zug einsteigen wollte.

Kurz bevor der Zug seine Bremsen löste, war da noch eine Person. Er.

Mit gehetztem Blick stieg auch er noch in den Waggon. In meinen Waggon.

Als wäre es Zufall, setzte er sich neben mich. Wahrscheinlich war es auch Zufall, ich zweifle nämlich sehr an Gottheiten. Sie sind einfach unzuverlässig. Und trotzdem, sass er jetzt neben mir.

An Bahnsteig Nummer 1 stiegen wir alle aus. Es gab nur Bahnsteig Nummer 1. Der Flughafen war nicht so gross.

Gerade als ich ihn ansprechen wollte, war er auch schon weg. Die ganze Fahrt hatte ich mir überlegt, was ich sagen sollte. Da wäre der Zeitpunkt gewesen, das denke ich bis heute. Und trotzdem, ich hatte ihn verpasst.

Mit wackeligen Beinen lief ich die Treppen hinauf. Nicht gerade schnell, es überholten mich viele. Darunter meistens die Geschäftsmänner.

In der Abflughalle blieb ich stehen. Ich hatte Zeit. Mit einem Blick auf die riesige Uhr an der Wand entspannte ich mich ein bisschen. Mein Herz verlangsamte Schritt für Schritt seine Schläge. Es fühlte sich fast schon wie eine Meditation an. Doch, aus unerklärlichen Gründen begann es Minuten später wieder schneller zu schlagen. Als ich mich umdrehte, erkannte ich die unerklärlichen Gründe wieder. Dieses Mal konnte ich auch sein Gesicht sehen. Sein Gesicht in voller Pracht. Ich sehe davon ab, es hier genau zu erörtern, aber ein paar Details waren zu schön, um sie unbeschrieben zu lassen.

Da war zum Beispiel dieses markante Kinn und der dazugehörende Kiefer. Oder die gelinde ausgedrückt, grünen Augen. Alles war an ihm sehenswert und trotzdem so vergänglich. Nicht mal ein Wimpernschlag später drehte er sich nämlich um und lief in Richtung Zoll.

Mein Flug würde erst später gehen. Trotzdem entschied mein Herz, denn mein Gehirn war es sicher nicht, ihm zu folgen. Hektisch kamen mir meine Schritte nun vor, nicht mehr bedacht wie zuvor. Durch den Zoll erreichte ich schliesslich das richtige Gate. Nicht mein richtiges Gate. Aber seins. Mittlerweile war mir auch bewusst, dass alles, was für ihn richtig war, auch für mich richtig sein würde. Für immer.

Ich beobachtete ihn. Meines Wissens nach sollte sein Flug in wenigen Minuten gehen. Wenn ich ihn wirklich hätte ansprechen wollen, wäre das der zweite Moment gewesen. Auch an das denke ich bis heute.

Er sass allerdings drei Stuhlreihen entfernt. Genau diese Aussage benutze ich bis heute, um meinen Geist ruhig zu stellen. Doch eigentlich gibt es keine Ausrede. Eigentlich gibt es keine Ausrede dafür, dass ich ihn nie angesprochen habe. Dass ich ihn nie angesprochen habe, als ich es noch gekonnt hätte und auch nicht dafür, dass ich ihm nicht mal durch die Scheibe gewunken habe. Denn bei einem bin ich mir heute sicher, er hatte mich gesehen.

Spätestens, als er mich durch das kleine Fenster des Flugzeuges angestarrt hatte. Das waren sie also, meine drei Begegnungen mit ihm. Und wenn ich eins daraus gelernt habe, dann ist das: Nutze deine Begegnungen. Nutze sie so, wie du es gerne würdest. Auch wenn sie beschränkt sind, sind Begegnungen doch das, was uns am Leben erhält. Auch wenn es nur drei Begegnungen mit einer fremden Person sind, vielleicht wären es die schönsten drei Begegnungen deines Lebens geworden. Falls du mich fragst, meine drei schönsten waren es auf jeden Fall.      

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