Ich war gerade auf der Insel „Amrum“, die zu Deutschland gehört, um ein Praktikum als Schützerin des Wattenmeeres zu absolvieren. Das Wattenmeer interessierte mich, da ich mit 11 Jahren einmal eine Wattwanderung mit einem Führer von der Insel Föhr zur Insel Amrum gemacht hatte.
Es war Mittwochnachmittag, da hatte ich frei. Diese Zeit nutzte ich immer, um verschiedene Aktivitäten auszuprobieren, die es auf der Insel gab. Zum Beispiel Yoga oder Meditieren. Meine Lieblingsbeschäftigung war es, entlang den unendlich langen Dünen joggen zu gehen und dabei die schneeweissen Möwen zu beobachten. Sie waren sehr zutraulich und liessen sich sogar füttern. Das sollte man aber niemals tun! Sie müssen alle einmal im Jahr gezählt werden, dabei bekommen die Küken, zur Unterscheidung, einen Ring ums Bein. Am Ring sind meistens Zahlen, die Ringgrösse, und natürlich ist auch noch die Vogelwarte darauf zu sehen.
Diesen Mittwoch widmete ich mich aber meinem kreativen Hobby, nämlich Halsbänder zu fädeln und zu knüpfen. Meistens verknüpfte ich zuerst das Band und dann reihte ich verschiedene Perlen auf. Als ich diese heissgeliebte Freizeitbeschäftigung dann ausübte, hörte ich ein krächzendes Kreischen. Es nahm mich Wunder, was gerade geschah, denn dieses Geräusch war ohrenbetäubend. Zuerst hatte ich ein wenig Angst vor diesem Geräusch, denn es war gruselig und unbekannt zugleich! Gar nicht so, wie wenn ein Stuhl verschoben wird oder so etwas in der Art. Ich stellte mir vor, es sei ein furchterregendes Monster, ich hatte sozusagen fast schon Halluzinationen. So ein seltsames Gefühl hatte ich noch nie, warum auch? Ich spürte ein krampfartiges Bauchweh, das war tausendmal schlimmer als vorübergehende Bauchschmerzen. Dieses schreckliche Ziehen hatte ich noch nie derart stark erlebt.
Plötzlich hatte ich sogar Lust herauszufinden, was das war. Ich fühlte mich dann wie eine Detektivin, die sich auf eine Mission vorbereitete. Ich spürte dann kein Krampfen mehr, sondern eher ein Kribbeln. Mein Interesse war zu gross, um einfach sitzen zu bleiben, also entschied ich mich dafür, meiner Neugierde nicht zu widerstehen. Ich stand auf und versuchte der Sache auf den Grund zu gehen. Was war das? Ich wollte herausfinden, aus welcher Richtung dieses Geräusch kam. Es wurde immer lauter, was ja nicht gerade ein beruhigendes Gefühl war, so aber auch einfacher für mich, als Kommissarin, es zu hören. Ich gab mir grosse Mühe, mit all meinen Sinnen etwas Neues zu erkennen.
Schlussendlich war mir klar, woher dieser Lärm kam, nämlich vom Strand! Ich hörte sehr genau hin und bemerkte, dass es kein Monster, sondern eine Möwe, genauer eine Silbermöwe, war. Also ging ich Richtung Strand, direkt neben meinen gemieteten Bungalow, dort sah ich etwas sehr Trauriges, mit dem ich nicht gerade gerechnet hatte, eine Silbermöwe, die sich im Abfall der Menschen verfangen hatte und sich nicht mehr lösen konnte. Ich war überfordert mit dieser Situation, ich wusste nicht was zu tun war, bis mir einfiel, dass ich die Schutzstation, bei der ich das Praktikum tätigte, anrufen sollte. Die Nummer wusste ich leider nicht auswendig, deshalb musste ich zuerst in meinen Bungalow zurück. In diesem durch den Wind an die Beine klatschenden Sand war es nicht gerade einfach zu rennen. Ich tat mein Bestes, um der Möwe so schnell wie möglich Hilfe zu bieten. Zum Glück wusste ich genau, wo ich die Nummer aufbewahrt hatte. Schnell packte ich das Zettelchen in den Hosensack und sprintete zur Möwe zurück. Diese war noch an Ort und Stelle, doch man sah ihr an, wie stark sie litt. Ich konnte kaum hinschauen vor Angst, nicht das Richtige zu tun, um ihr zu helfen. Sofort rief ich dann meine Teamkollegen der Schutzstation mit der Nummer 049 4682 2718 an. Alleine durfte man da nämlich nicht handeln. Die Möwe befand sich in Lebensgefahr!
Als die Rettungskräfte da waren, dauerte es nicht mehr lange und die Möwe war wieder frei. Man sah der Möwe richtig an, wie dankbar sie war, dass sie Hilfe bekommen hatte. Am Donnerstag, Freitag, Samstag und Sonntag besuchte mich die Möwe jeden Morgen auf der Terrasse des Bungalows. So erstattete sie mir einen Monat lang täglich ihren Besuch.
Eines Tages stand die Möwe nicht mehr auf der Terrasse, doch ich bemerkte eine Möwenfeder. Schnell erkannte ich anhand des Musters, dass es die Möwenfeder der Möwe war, die mich jeden Tag besucht hatte. Ich war zwar ein bisschen traurig, dass ich die Möwe nicht direkt aber wenigstens indirekt sah. Plötzlich wusste ich, wieso sie nicht wartete, bis ich aufwachte. Sie hatte auf die Insel Föhr gewechselt! Ich sah nämlich um ca. vier Uhr morgens ein Schwarm der Richtung Föhr flog.
Für mich war es wie ein Geschenk, dass die Möwe mir eine ihrer Federn daliess. Mir kam auch eine wunderbare Idee, wie ich für immer ein Andenken an sie haben würde. Die Möwenfeder würde ich immer bei mir tragen. Mein Hobby kam zum Einsatz und ich knüpfte ein schönes Band, um dann mit einer glitzernden Perle die Möwenfeder aufzufädeln. Von diesem Moment an hatte ich meinen immer getragenen Glücksbringer!
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