"Die Hauptfigur heisst Emma!" - Eine Geschichte von Sofia Molinari - Young Circle

«Die Hauptfigur heisst Emma!» – Eine Geschichte von Sofia Molinari

Member Stories 2023

«Die Hauptfigur heisst Emma!» – Eine Geschichte von Sofia Molinari

Eine junge Frau, die gehörlos ist, hat eine tiefe Leidenschaft für das Tanzen und meldet sich für einen Tanzwettbewerb an. Obwohl sie anfangs Zweifel hat, motiviert sie ihr bester Freund, Dean, und sie findet Selbstvertrauen auf der Bühne. Trotz ihrer Gehörlosigkeit liebt sie das Tanzen und findet darin ihre Stärke und Freiheit. Sie gewinnt den Wettbewerb und erkennt, dass man das scheinbar Unmögliche erreichen kann, wenn man an sich selbst glaubt und keine Angst davor hat, Grenzen zu überschreiten.

Ich fürchte, verurteilt zu werden. Die Angst, dass ein Teil von mir immer im Weg stehen wird, dass ich nicht so geliebt werden kann wie andere und dass alles, was ich jemals sein werde, gehörlos bleibt, quält mich. Ich liege auf dem Teppich in meinem Zimmer und starre an die Decke. Ich frage mich, warum ich mich angemeldet habe. Sobald mein Ego aktiv wird, scheint es, als ob meine ängstliche Seite nie existiert hatte.

Seit Anfang dieses Monates hing an der Infowand meiner Uni ein Flyer. Trotz der Tatsache, dass der Flyer einen unglaublich schönen glitzernden, goldenen Hintergrund hatte und die Bühnenbilder in beeindruckenden Schwarz-Weiß, war der Grund meiner Anmeldung ein anderer. Meine Leidenschaft für das Tanzen erfüllt wohl jedes Klischee. Meine Mutter meldete mich im Alter von 3 Jahre zum Ballettunterricht an. Hatte Glück, denn ich liebte es damals und liebe es noch immer. Allerdings hat sich mein Interesse auf so ziemlich jeden Tanzstil erweitert. Manchmal ist das Tanzen alles, was mich, für einen Moment lang, vergessen lässt, dass mein Leben heute etwas anders verläuft. Es war schmerzhaft mitanzusehen, wie von meinem größeren Freundeskreis damals nur noch eine Freundin dastand, meine Eltern zu jeder Zeit schnell Mitleid mit mir hatten und ich dafür kämpfen musste eine normale Uni zu besuchen…unabhängig davon, dass mein alter mir das früher nicht möglich gemacht, hätte natürlich.

Ich war acht Jahre alt, als ich mein Gehör komplett verlor. Es geschah nach einem Sturz. Als Kind war ich sicherlich überzeugt davon, eines Tages den Mond zu betreten oder, dass ich sicherlich eine berühmte Tänzerin sein werde.

 Es kratzt etwas an meinem Ego, nicht der Teil, an dem ich den Mond besteigen sollte, sondern die Tatsache, dass ich nie so Tanzen konnte wie ich einmal dachte, es zu können. Ich habe vergessen, wie es sich anfühlt meine Lieblingssongs zu hören, aber ich kenne jede Textpassage genau. Es waren Songs, die mein Vater immer im Wohnzimmer spielen ließ. Es das: mein Lieblingsding, dein Lieblingsdingprinzip. Als Kind war seine Lieblingsding auch meins und seine Lieblingsfarbe auch meine. Das nenne ich das Lieblingsdingprinzip, das wahrscheinlich einige aus ihrer Kindheit kennen.

 Nach meinem Unfall tanzte ich trotzdem weiter, auch wenn die Ärzte mir geraten haben es nicht zu tun. Ich musste mich bewegen, um nicht zu vergessen, wer ich war, so kitschig es klingen mag. Meine Eltern haben mich immer dabei unterstützt. Sie halfen mir, mich zurück in die „Normalität“ zu kämpfen.

Ich meldete mich an, als nur noch ein Platz auf dem Anmeldeformular frei war. Ohne weiter zu überlegen oder zu überdenken, griff ich nach einem Bleistift und einem Radiergummi und schrieb meinen Namen wahrscheinlich 1001 Mal hin und radierte ihn wieder aus.

Plötzlich zog mich mein bester Freund Dean mit einem Schmunzeln beiseite und sagte mir, dass ich das Schaffen werde. Er ist wohl der empathischste beste Freund, den ich mir vorstellen könnte. Ich habe ihn im ersten Jahr an der Universität kennengelernt und er ist nie von meiner Seite gewichen. Wir kommunizieren wie alle Freunde, nur dass ich seine Lippen lese. Ich habe zwar keine Ahnung, wie meine Stimme klingt, aber immerhin kann er mich verstehen. Eine gute Freundschaft trotz meiner Einschränkung bedeutet mir sehr viel, es ist keine Selbstverständlichkeit.

«Emma, der Wettbewerb ist nächste Woche und du musst daran teilnehmen… Ich möchte, dass du gewinnst. Das Semester hat gerade erst begonnen und das kann dich motivieren», schmunzelt er.

 Ich weiß nicht einmal, wie ich gewinnen soll. Ich weiß nicht einmal, ob es mir wirklich um das Gewinnen geht. Vielleicht möchte ich mir einfach beweisen, dass ich alles schaffen kann, genauso wie andere es können.

Meine Hände waren nass, mein Herz klopfte schneller und ich spürte jeden Schlag an meinen Brustkorb hämmern. Im Publikum konnte ich niemanden erkennen, aber ich wusste, dass meine Eltern da waren, sie würden für mich alles tun…Dean war da und unzählige Schüler und Schülerinnen dieser Universität. Hinter der Bühne sah ich Tänzerinnen, die sich aufwärmten und schminkten. Meine Frisur saß perfekt und mein Outfit hatte mein ganzes Taschengeld gekostet, um ehrlich zu sein. Der Perfektionismus war mir auf die Stirn geschrieben.

Neben meinem Ego gab es jedoch auch diese kratzige, nervige Stimme, die mich immer in Frage stellte, der Teil von mir, der nicht an mich glaubte.

Als ich dann auf der Bühne stand und anfing zu tanzen, war diese Stimme verschwunden. Da war nur noch ich und die Bühne. Es ist, als ob das Tanzen meine größte Waffe gegen diese nervige, unsichere Stimme ist, die wir alle haben…mindestens für einen Moment lang.

Oder nicht? Weißt du was? Du hast recht. Ich höre noch den Musiktext oder die Töne, die erklingen und eine Melodie ergeben. Ich habe keine verdammte Ahnung, wie es ist, die Lyrics zu verstehen. Aber was ich tue, ist lieben. Ich liebe das Tanzen und ich spüre die Vibration der Musik, ich fühle den Beat. Ich lasse die Musik stumm, aber trotzdem laut erklingen und obwohl die Angst immer da war, war ich immer stärker.

Ich schließe das Tagebuch und meine Augen füllen sich mit Trennen. Ich bin unglaublich glücklich. Ich putzte mit meinem Ärmel des Pullovers das Buchcover, dass schon etwas staubig war, nahm die Kiste vom Dachboden runter und zeigte Dean, was ich gefunden habe. Ich lief die Dachbodentreppe hinunter und da stand Dean.

 „Schau mal Dean das ist mein Tanzpokal des Wettbewerbs an der Uni früher.“

Ich denke wir alle besitzen die Möglichkeit das unmögliche, möglich zu machen. Es gibt kein Rezept dafür, wie man es tut, aber man findet die Antwort auf eine simple Frage. Was würdest du tun, wenn da nichts wäre, was dich zurückhält?

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