Ich sitze in einem kleinen Zimmer, warte und warte. Ich schaue aus dem Fenster und hoffe, dass er kommt. Doch er kommt nicht. Der Vogel, so rot wie Blut und silberne Federn auf dem Kopf wie eine Krone, kommt nicht. Seit 237 Tagen sitze ich hier und warte bis der Vogel mich holen kommt. Seit 237 Tagen war ich nicht mehr draussen, weil die Menschheit dachte ich sei verrückt, sperrten sie mich ein. Weil sie dachten, es gehe nicht, dass ich mich wie ein Junge anzog und mich die Sachen interessierten, die nur Jungen tun durften. Doch innerlich war ich immer noch ein Mädchen, eins, das mit anderen Mädchen sein und Spass haben wollte. Deshalb sperrten sie mich ein, und nun warte ich auf den Vogel in meinen Träumen.
«May» jemand rüttelt mich wach, erschrocken reisse ich meine Augen auf. Meine Zimmergenossin Isabell steht vor mir. Sie ist gross und schlank, hat blondes schulterlanges Haar und wunderschöne grüne Augen. Sie steht vor mir und sagt, dass ich aufwachen soll, weil das Frühstück gekommen ist. Mühsam essen wir den hartgekochten Brei in den Näpfen, und schlucken ihn mühsam runter. Ich setze mich wieder auf mein Feldbett und schaue aus dem Fenster. Tief in meinem Inneren weiss ich, dass er kommen wird. Und so warte ich Tag für Tag, Nacht für Nacht und plötzlich hörte ich Flügel schlagen.
Ich renne zum Fenster und schaue hinaus, dort sehe ich ihn. Er ist riesig, der Vogel, so rot wie Blut und silberne Federn auf dem Kopf, wie eine Krone. Doch was ist das? Der Vogel fliegt direkt auf die Wand zu. Hilflos sehe ich ihm zu, als er in die Wand fliegt. Doch er zerschmetterte nicht in tausend Stücke, er blieb ganz. Er glitt durch die Wand, als wäre er aus Watte und da war der Vogel, so rot wie Blut und silberne Federn auf dem Kopf wie eine Krone.
Ich und Isabell starren in an, er starrt zurück. Mein Herz klopft wie wild. Wie kann das sein, dass er hier ist, vor mir ist, der Vogel, der in meinen Träumen vorkam. Der Vogel macht eine Geste, als wolle er sagen, dass wir auf ihn aufsteigen sollten. Ich schaue zu Isabell, ihre Augen sind voller Tränen als sie sagt: «Geh! Es war dein grösster Wunsch. Ich möchte, dass du in die Freiheit zurückkehrst.» Meine Augen werden feucht. «Komm mit mir Isabell. Bitte! Ich brauche dich.» «Ich…» Isabelle kommt nicht zu Wort, weil die Tür aufgerissen wird. «Was ist das für ein Lärm???» Ein Mann mittleren Alters und komplett in Militäruniform gekleidet, steht vor der Tür und sieht uns entsetzt an. Mit einer Pistole auf uns gerichtet kam er auf uns zu. Ich merkte, dass er den Vogel nicht sehen kann. Ich kann mich aber nicht bewegen. Ich bin versteinert vor Angst und sehe, dass es Isabell nicht besser geht. Erst als der Mann uns Handschellen anlegt, komme ich wieder in die Realität zurück. Ich versuche mich zu wehren und schreie, aber der Griff des Mannes ist zu stark.
Ich gebe auf, habe keine Kraft mehr mich zu wehren. Ich werde auf den Boden gepresst und merke, dass der Mann Verstärkung gerufen hat. Es ist aus, denke ich. Nun werde ich sterben.
Ich spüre, wie die Männer die Pistolen auf mich richten und dass sie diskutieren, was sie mit mir machen sollen, immer wieder kommen Worte wie «Erschiessen» oder «Töten». Ich spüre Wut, ich spüre Angst, ich spüre Gefühle, die ich noch nie zuvor gespürt habe, ich sammle die Energie und gebe sie frei.
Es wird still…
So still, dass ich mich traue aufzustehen: Keine Waffe, die auf mich zielt, kein Mensch, der mich auf den Boden drängt.
Ich sehe die Soldaten auf dem Boden, sehe dass sie sich vor Schmerzen krümmen, sehe wie Isabell in einer Ecke mit Tränen in den Augen auf das schaut, was mir einen Schock bereitet. Ich sehe, wie er blutend auf dem Boden liegt. Der Vogel ist am Sterben.
Ich kniete zu ihm und lasse meine Traurigkeit frei, lasse meine Tränen frei. Ich liege da und weine, ich möchte nur noch weinen.
Ich lege meine Hände auf seine Federn und versuche die Blutung zu stoppen, doch es gelingt mir nicht. Sie haben auf ihn geschossen und Isabell fast getötet. Die Gedanken schwirren mir durch den Kopf. Auf einmal kam mir der Satz wieder in den Sinn, der Isabell immer zu mir gesagt hat, wenn ich verzweifelt war. «Das Einzige, was zählt ist, dass du an dich glauben musst.» Ich habe das Gefühl, dass ich neue Energie bekomme, ich fühle mich stark. Meine Hände werden glühend heiss und meine Tränen verschwinden. Dafür kommt ein entschlossenes Gesicht zum Vorschein, ich spreizte meine Hände und denke an das Gefühl, dass ich noch nie zuvor hatte, eins das ich nie wieder vergessen werde. das Gefühl beschrieb nur einen Satz. «Ich glaube an mich.» Ich spreche die paar Wörter so ruhig aus, dass ich nicht weiss, ob ich das bin, der da gesprochen hat. Doch als ich Isabells Blick sah, wusste ich es. Ich ging zu Isabelle und nahm ihre Hand. «Isabelle, nur wir zusammen können ihn heilen, nur wir zusammen können es schaffen.» Wir gingen zum Vogel, und hielten unsere Hand zusammen. Während wir die freie Hand auf die Federn des Vogels pressten. Ich sammelte meine ganze Energie und liess sie auf den Vogel los. Meine Hand auf den Federn wurde mit einem hellen Streifen umrandet und als das gleiche bei Isabell passierte, war die Wunde verschwunden.
Der Vogel war geheilt. Er machte uns wieder eine Geste, dass wir auf seinen Rücken sollen. Als wir auf seinem Rücken waren, konnte ich nur noch ein «Danke» herausbringen. Er hob die Flügel und hob ab.
Auf dem Rücken des Vogels flogen wir in die Freiheit zurück.
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