Es war ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag meines ersten Lehrjahrs in der Bibliothek. Da zurzeit viele ihre Weihnachtsferien in vollen Zügen genossen, lief in der Bibliothek bei weitem nicht so viel wie sonst. Darüber war ich jedoch nicht unbedingt unglücklich, obwohl ich meiner Tätigkeit ausgesprochen gern, ja gar mit vollem Elan und Begeisterung nachgehe. Da meine Ausbildung erst vor einigen Wochen begonnen hatte, habe ich noch nicht die Gelegenheit gehabt, alle Abteilungen auszukundschaften. An ruhigen Tagen wie diesem hatte ich aber genügend Zeit, dies zu tun. Also schlenderte ich durch die verschiedensten Räume und war wieder einmal vollkommen verblüfft, was ich dort alles auffinden konnte.
Im Archiv stiess ich urplötzlich auf ein sehr wertvoll aussehendes Buch, welches ich natürlich direkt aufhob und vorsichtig in mein Büro trug. Nach einer kurzen Recherche war schnell klar, dass ich mit meiner angestellten Vermutung nicht ganz falsch lag, denn offenbar konnte man dieses Buch auf die späten 1440er Jahre datieren. Das bedeutete, dass es einen extrem, gar fast unbezahlbar hohen Sammlerwert aufwies, zumal es zu den ersten jemals gedruckten Exemplaren von Büchern gehörte. Sofort rannte ich zu meiner Chefin, um ihr von meinem unglaublichen Fund zu berichten. Auch sie konnte es im ersten Moment kaum fassen, dass sich in unserem Bestand ein solch wertvolles Werk befunden haben soll, welches so lange unentdeckt geblieben ist. Nachdem wir den ersten Schock überwunden hatten und wieder einigermassen klar denken konnten, beschlossen wir gemeinsam, dass das Buch versteigert werden soll.
Durch die Corona-Pandemie verlor die Bibliothek, die während dem Lockdown für mehrere Monate geschlossen bleiben musste, nämlich etliche Kunden. Was wiederum bedeutete, dass viel weniger Einnahmen durch Kundenbeiträge generiert werden konnten, als in der Zeit davor. Wenn man dieses Buch nun jedoch für Summe verkaufen könnte, dann hätte man genügend finanzielle Mittel, um alle Schulden auf einen Schlag zu begleichen. Ausserdem könnte man massenhaft neue Bücher und neues Mobiliar anschaffen. Also führte ich noch am selben Tag einige Telefonate und Gespräche, bis ich endlich jemanden gefunden habe, der sich dazu bereit erklärt hatte, dieses Buch zu versteigern. Ehrlicherweise hat er uns darüber aufgeklärt, dass es gut möglich sei, dass das Buch deutlich unter seinem eigentlichen Wert versteigert werden würde, weil die meisten Menschen schlicht und einfach nicht über so viel Geld verfügen, wie dieses Werk eigentlich wert ist. Trotzdem stimmten wir dem Angebot zu, denn wir gaben uns mit jedem Betrag zufrieden, denn wir hiermit zusätzlich generieren konnten.
Eine Woche später fand dann schliesslich die Versteigerung statt, auf die wir bereits angespannt warteten. Meine Chefin und ich, hochkonzentriert und gebannt, lauschten den Geboten. Zu unserem Glück schnellte der Preis schon rasch in die Höhe und wir konnten vor Freude und Aufregung kaum mehr stillsitzen. Nach einiger Zeit wurde es etwas ruhiger im Saal und dann schlug der Auktionator endlich mit dem Hammer auf den Tisch. Daraufhin verkündete er: «Hiermit wurde das Buch zu einem Wert von 2.7 Millionen Franken versteigert.» Überglücklich sahen wir uns in die Augen und konnten noch gar nicht richtig realisieren, was gerade geschehen war. Denn mit so einem Beitrag hätten wir nie im Leben gerechnet.