"Das Leben, so spannend wie ein Buch" - Eine Geschichte von Julie Bruhin - Young Circle

«Das Leben, so spannend wie ein Buch» – Eine Geschichte von Julie Bruhin

Member Stories 2023

«Das Leben, so spannend wie ein Buch» – Eine Geschichte von Julie Bruhin

Eine stille Beobachterin, die normalerweise wenig Interesse an Büchern zeigt, wird von ihrer Mutter in eine Buchhandlung mitgenommen. Dort empfiehlt ihr die Mitarbeiterin ein Buch von Karo Kris. Als sie es liest, wird sie plötzlich von der Geschichte in eine erschreckende Halluzination gezogen. Karo Kris, die Autorin, erklärt ihr, dass ihr Buch die Fähigkeit hat, die gelesene Geschichte lebendig werden zu lassen, und schlägt vor, etwas anderes als Horror zu lesen. Die Protagonistin ist gespannt darauf, was als nächstes in dem Buch passieren wird.

Manchmal sitze ich einfach nur da und starre Löcher in die Luft. Ehrlich gesagt, das mache ich jedes Mal, wenn ich nicht gerade mit Hausaufgaben oder mit meiner Familie beschäftigt bin. Ich beobachte einfach gerne, vielleicht wollen deswegen meine Mitschüler nicht mit mir abhängen. Okay, zugegeben, ich tausche auch nie ein Wort mit ihnen aus, ganz zu schweigen von meinen Gefühlen. Heute ist mal wieder so ein Moment, ich sitze auf meinem Bett und begutachte meine leere weisse Wand. Bis es plötzlich an meiner Tür klopft. Meine Mutter kommt in den Raum und setzt den typischen «geh mal ein bisschen raus» oder «sei nicht so viel in deinem Zimmer» Blick auf. Doch anstatt so etwas zu sagen, erwidert sie: «Hast du Lust, in die Buchhandlung zu gehen?» Ich ziehe eine Augenbraue hoch. Wie kommt sie denn darauf das ich Bücher lese? Ich recherchiere ja nicht mal in Büchern, wieso sollte ich dann welche lesen? «Sofia möchte ein neues Lesebuch kaufen, kommst du mit?», fragt Mom. Aha, hier haben wir es. Meiner kleinen Schwester werden mal wieder alle Wünsche erfüllt. Dann hätte ich jetzt gerne ein Flugzeug, das mich in die Bahamas entführt, wo ich alkoholfreie Cocktails schlürfen kann. «Ok Klea», fährt sie fort, «dann gehen Sofia und ich halt alleine.» Mom macht die Türe zu und der Raum füllt sich mit eigenartiger Leere (was auch an meinen Gedanken liegen kann). Genau diese Leere kann ich gerade nicht ausstehen. Ich ziehe meine Schuhe an, schlinge meinen Herbst-Mantel um mich und laufe nach draussen.

Sofort erkenne ich meine Mutter mit Sofia an der Hand. «Ich komme doch mit», rufe ich. Mom dreht sich um und sagt: «wie schön». In der Buchhandlung angekommen umhüllt mich der Duft von frisch gedrucktem Papier Wir gehen zur Abteilung «Kinder und Jugendbücher». Sofort kommt uns eine Mitarbeiterin entgegen. «Sucht ihr was bestimmtes?». Mom lächelt mich breit an und widmet sich dann der Dame: «meine Tochter braucht ein Buch, das sie fesselt und ihr die Lust gibt, weiter zu lesen.» Die Mitarbeiterin schaut mir tief in die Augen, nach 3 Sekunden halte ich es nicht mehr aus und schaue rüber zu Sofia, die mit einem stapel Bücher zu Mom rennt. Welches Buch hat sie wohl dazu gebracht eine Leseratte zu werden? Als ich mich traue zur Frau zu schauen, hat sie ein relativ dickes Buch in der Hand. «Probiere mal dieses Buch es hat verschiedene Genres, damit du dich mal ausprobieren kannst.», redet sie auf mich ein. Sie gibt mir das Buch in die Hand und ich begutachte das Cover so wie den Titel. «Lebe die Mehrgeschichten von Karo Kris», murmle ich leise. Meine Mutter schaut mich fragend an. «mhm», drücke ich heraus. Es wäre sehr unhöflich, wenn ich jetzt sagen würde, dass ich es wahrscheinlich nicht lesen werde oder dass ich den Titel komisch finde. Wir gehen zur Kasse und Mom zahlt die fünf Bücher von Sofia. Sie besteht darauf, meines auch zu bezahlen, schade, sonst wäre ich mit dem Argument gekommen, ich möchte sparen. Zuhause habe ich mich dann selbst ermutigt mal rein zu lesen. Ich meine, der oder die Autor/in hat sicher viele Stunden dafür gebraucht dieses Buch zu schreiben.  Ich habe mich für die Horrorgeschichte entschieden (weil ich es gut mit meinem Leben in Verbindung setzen kann: der reinste Horror). Ich lese gerade den ersten Satz als ich mich plötzlich in einem dunkeln Raum befinde. Ich drehe mich um meine eigene Achse, doch alles was ich sehe ist die Dunkelheit. Ich spüre die Angst in der Luft. Ich mache kurz meine Augen zu und als ich sie wieder öffne, ist ein Spiegel vor mir. Ich gehe einen Schritt nach vorne um mein Spiegelbild besser betrachten zu können. Mein ganzer Körper zittert und meine innere Gelassenheit verschwindet von Sekunde zu Sekunde. Ich spüre, das sich etwas oder jemand nähert. Ich nehme all meinen Mut zusammen und drehe mich um. Ich kann nichts in der Dunkelheit erkennen. Ich spüre wie meine Gelassenheit langsam zurück kommt. Ich wende mich zurück zu dem Spiegel als plötzlich jemand neben mir steht. Er ist schwarz gekleidet und hat ein blutbeschmiertes Messer in der Hand. Nicht nur das scharfe Messer ist voller Blut, auch seine Kleidung, wie auch der Spiegel ist voll gespritzt. Ich stosse einen Schrei aus.

Ich wache auf. Mein Körper ist schweissgebadet. Ich bin wie gelähmt in meinem Bett, vor mir das Buch. Ich schliesse es mit der Erleichterung, wieder im normalen Leben zu sein. Wenn ich darüber nachdenke, ist mein Leben doch nicht so schlimm. Ist es lächerlich, dass ich jetzt gerne nochmals in solch einer Geschichte eintauchen möchte? Natürlich nicht wieder in einer Horror Story, die hat mich nämlich total verängstigt. Eher in einer Fantasy- oder Abenteuergeschichte. Das Leben wird dadurch sicher interessanter, oder? Kann das auch gefährlich enden? So viele Fragen schwirren in meinem Kopf. Wahrscheinlich muss ich die Dinge selbst in die Hand nehmen. Ich gehe zum zweiten Mal heute in die Buchhandlung und renne zur gleichen Abteilung wie vor etwa einer Stunde. Die Mitarbeiterin gelangt sofort in mein Blickfeld. Ich bleibe stehen, was soll ich ihr sagen, das von ihr empfohlene Buch fesselt mich so sehr, dass es mich in seine Welt hinein zieht? Das klingt sicher bescheuert. Doch dann ist es schon zu spät, die Dame ist mir einen Schritt voraus. «Du schon wieder» stellt sie überrascht fest, «na, gefällt dir das Buch bis jetzt?» Ich stosse einen Seufzer aus. «Ehrlich gesagt, hat es mich heinen gerissen, und zwar wortwörtlich», stottere ich. Sie lächelt mich breit an, aber mir ist nicht nach Lächeln zu mute. «Ich bin Karo Kris, die Autorin des Buches. Ich habe eine Methode entwickelt, dass du halluzinierst, was du liest, toll was?» Ich bin wirklich überfordert gerade. «Wenn ich ihnen einen Tipp geben dürfte, nichts mit Horror einverstanden?» Wir nicken uns beide zu und ich sehe das als ein Zeichen, nach Hause zu gehen. Ich bin schon gespannt, was mich als nächstes in dem Buch erwartet.

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