Ich sitze auf meiner Terrasse. Neben mir liegt der Brief. Der Brief den sie mir vor einem Jahr zum Geburtstag gegeben hat. Vor einem Jahr. Es fühlt sich noch immer an wie gestern. Erinnerung an den Moment überflutet mich plötzlich; Wie wir alle auf dem Bett sassen und Spiele spielten, lachend, glücklich – und besorgt. Ich war damals oft besorgt. Einer der Gründe dafür war sie, und der wachsende Abstand zwischen uns. Die Art und Weise wie wir uns einschränken mussten, um ja niemanden auszuschliessen. Ich atme tief aus und nehme den Brief in die Hand. Das blaue Papier hat keinen Kratzer und auch innen sieht er noch aus wie immer. Es hat sich so viel geändert. Ich fasse mir an die Wange, wo wenige Minuten zuvor noch eine Träne sass, während ich die drei Seiten des Briefes durchlas. Die Worte hallen noch immer in meinem Kopf, als ob es dort leer ist. Plötzlich fällt mir das Atmen schwer. Es fühlt sich an, als ob ich unter Wasser bin und keine Luft mehr bekomme. Ich habe einen Druck in meinem Hals. Das ist das Wasser. Es versucht in meinen Mund, meinen Hals einzudrängen und meinen Körper zu beherrschen. Ich schliesse meine Augen und versuche mich zu beruhigen. Mit meiner freien Hand greife ich in meine Tasche nach dem Feuerzeug. Das Gehäuse ist kalt. Ich drehe am Rad und das Feuer entfacht. Zack. Ich schaue zu wie die Flamme tanzt im Wind, bis das Metall so heiss ist, dass mein Finger anfängt zu schmerzen. Ich schaue nochmals den Brief an. So komplett, noch intakt. Ich halt das Feuerzeug an den rechten, unteren Ecken. Das Wasser um mich herum ist endlos. Es ist kalt und dunkel. Ich lege meinen Finger wieder auf das Rad des Feuerzeugs. Ich spanne ihn an. Auf einmal geht ein Ruck durch mich und das Wasser bricht durch meine Lippen hindurch, in meinen Hals und in meinen ganzen Körper. Ich kann nicht mehr atmen. Wo bleibt die Luft? Das ist was Liebe mit einem macht? So viel Schmerz. Ich zünde das Feuer. Zack. Die Flamme berührt das Papier und sofort wird der Brief umhüllt. Es passiert so schnell. In wenigen Sekunden beisst sich das Feuer durch die Wörter. Ihre Wörter. Ich lieb dich ganz fescht, stand da mal drauf. Ich hör sie. Die Wörter. Ihre Wörter. Der Brief schreit sie mir zu, so als ob ich ihn nie vergessen darf. Es ist ihre Stimme. Ich antworte. Ich entschuldige mich. Ich versuche zu erklären, wieso ich sie hinter mir lassen muss. Die Wörter verlieren sich in den Flammen und fallen zu Boden als Asche. Ich schau dem Feuer zu. Ich schau zu wie der Brief Vergangenheit wird. Der Schmerz geht mit ihm mit. Ich breche die Wasseroberfläche und auf einmal kann ich wieder atmen. Meine Hand zittert als ich auf den Boden schaue. Alles Asche. Der Ganze Brief ist Asche. Der Druck in meinem Hals ist auf einmal weg. Komplett verschwunden. Die Luft ist klar. Ich fange an zu lächeln. Ich lache. Ich lege meinen Kopf zurück und schaue den Sternen zu wie sie mir zu winken. Ich fühle mich frei, wie neu geboren. Wie ein Phönix, auferstanden von der Asche des Briefes. Das ist was Liebe macht. Das ist der Anfang eines neuen Kapitels. Ich lege das Feuerzeug zurück in meine Tasche und stehe auf.
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