Oke gut vielleicht war das auch etwas übertrieben, so oft war das ja auch nicht, versuchte ich mir immer wieder zu sagen und hoffte da ich es irgendwann glauben würde. Und somit den unangenehmen Knoten im Magen loswerden würde. Doch sobald ich wieder daran dachte, wurde er nur noch enger und einnehmender.
Meistens war es heftiger, böiger Wind mit samt Regen. Was auch gefährlich, aber nicht Lebensbedrohlich war, meistens jedenfalls. Im Moment war alles gut und niemand konnte erahnen, wann es das nächste Mal passieren würde, auch Marem nicht.
Das komische ungute Gefühl, was ich nicht richtig einordnen konnte, blieb. Nicht nur das, es wurde immer schlimmer. Oke atmen Marem atmen, ein; ich sog die frische Meeresbriese ein, halten und… «HEY, passt doch auf, verdammt,» Ich kehrte ruckartig zurück in die reale Welt, wo ich gerade auf dem Wasser geradewegs auf ein anderen Kiter zusteuerte und ihn auch noch die Vorfahrt klaute. Meine leinen, die mich mit meinem Kite verband berührten, bereits die des anderen Kites, das würde böse enden. In meinem Kopf spielten sich bereits die worst case Szenarios ab. Es war eingetreten, der Klassiker beim Kiten, dass wo allen am Anfang eingebläut wird, passt einfach auf das du in niemanden Hineinfährst. Sprich sich mit einem andrem Kite zu verheddern. Eine Ungeschriebene Regel beim Kiten, da man sonst nicht nur sich, sondern auch die anderen Kiter in Gefahr brachte. Achte immer gut auf den Vortritt und sei immer konzentriert beim Fahren, das A und O bevor du aufs Wasser gehst. Das wusste jeder Kiter und alle, ich mit einbezogen nervten sich über die, die es nicht konnte oder sich dazu endschieden es nicht zu beachteten und so alle andern in Gefahr brachten. Dass ich mich jetzt darüber aufregte, brachte mir in meiner Situation auch nicht viel.
Meine Beine wurden weich und ich sank immer weite ins Wasser ein, zum Glück. Mein Körper hatte schneller reagiert als ich realisieren konnte, was gerade geschah. Wie von selbst habe ich den Kite aus dem Wind gelenkt, in die andere Richtung und ich blieb stehen bzw. hockte ich jetzt im Wasser, der Kite gerade über meinem Kopf, auf 12 Uhr stillstand. Der andere Kiter hatte dasselbe getan. Als sich unsere Blicke trafen, sah ich das auch er geschockt war, sogar ein wenig blass. Aber das konnte mir jetzt wirklich egal sein. Es war nochmal gut gegangen. Trotzdem es war so unerwartet gekommen. Seine blauen Augen fixierten mich immer noch. Ich wusste nicht, ob es die Spiegelung des Wassers war oder ob er wirklich diese türkise bauen Augen hatte. Wen ja hatte er die schönste Augenfarbe, die ich je gesehen hatte, ich vergas schon wieder meine Umgebung. Wieso dachte ich über so etwas nach. Ich verfluchte mich selbst für diesen unpassenden Gedanken, und versuchte mich wieder zu konzentrieren. Wir waren schliesslich immer noch in einer nicht so gefahrenfreien Situation. «Scheisse ich dachte… das du, ich hatte Vortritt…» er wollte noch etwas anhängen, doch ich kam ihm zuvor.
«Ja, es war mein Fehler, Entschuldigung. Ich war wohl nicht… ich sollte mich besser konzentrieren.» Ich wusste auch nicht, von wo das kam, es hörte sich nicht wie meine Stimme an. Ich hatte jedoch keine Zeit darüber Gedanken zu verschwenden und auch nicht darüber das seine brüchige Stimme gar nicht zu seinen harten Gesichtszügen passte. Stopp, Marem konzentrier dich, wir würden nur Höhe verlieren und mit den Wellen Richtung klippen treiben. Mein Kite zog fast schon auffordernd an meinem Trapez, welches eng an meiner Hufte lag.
Ich kratzte das letzte bisschen verstand zusammen und rief ihm in Kiter Sprache zu;« Geh du zuerst, Abwind sonst landen wir noch in den Klippen.» Er verstand und schlucke sein Kommentar runter, das sah ich. Stattdessen lenkte er sein Kite spielend leicht nach rechts. «Und sorry noch mal» rief ich ihm noch hinterher, er winkte nur ab (mit seiner freien Hand). Natürlich, ich verdrehte die Augen, er war so einer der «cooler Profi Surfer-Boy» Sorte, was hat ich mir den gedacht.
Mein Bauch erinnerte mich nach den ersten Metern prompt wieder daran, wieso ich überhaupt einen Zusammenstoss hatte. Das Gefühl war immer noch da, und es verstärkte sich nur noch. Jetzt nach alldem hatte ich erst recht das Bedürfnis zu landen, was ja auch vernünftig war.
In Windeseile landete ich den Kite, liess die Luft aus der Tube und packe die Pumpe in den Rucksack.
Der Jeep meines Dads holperte in viel zu schnellem Tempo über die unebene Sandstrasse. Bei jedem schlag loch wurde das flaue Gefühl im Magen etwas verstärkt. Hoffentlich musste ich mich nicht übergeben. Ich schaute in den Rückspiegel und checkte den Himmel hinter mir ab, nichts. Vielleicht habe ich mich getäuscht, sehr wahrscheinlich habe ich das, bestimmt. Es lag sicher daran, dass ich hungrig und müde war. Wobei ich gerade nicht an Essen denken wollte. Ich konnte mir auch nicht erklären, wo diese Gedanken herkamen, dass es etwas mit den Stürmen zu tun haben könnte. Wieso sollte ich das spüren. Ich schüttelte den Kopf über meine sinnlosen Gedanken und fragte mich gleichzeitig, was ich hier genau tat.
Ich schaute aus dem Fenster und betrachtete die sandigen Hügel in der Ferne. Ich wünschte mir nichts mehr, als dass es aufhören würde. Dieses Gefühl, das sich langsam in meine Magengrube ausbreitete und mich wie ferngesteuert handeln lässt. Vorhin im Wasser ist mein Puls sofort in die höhegeschossen und ich hatte mein Blut in den Ohren rauschen gehört. Doch das konnte ich herleiten, es war normal bei einem Zusammenstoss. Doch jetzt, wieso habe ich jetzt immer noch das Gefühl nicht richtig atmen zu können. Das Gefühl in meinem Magen. Wieso fühlte ich mich so gehetzt. Wovon auch? Ich hatte so viele Fragen. Doch auf keine fand ich eine Antwort egal wie sehr ich mir darüber den Kopf zerbrach. Es würde nicht weiterhelfen. Ich musste nur ruhig Atmen und ausblenden, die ganzen Fragen einfach weit wegschieben.
Aber das war nicht einfach, im Gegenteil.
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