"Valma Nykänen" - eine Geschichte von Mae - Young Circle

«Valma Nykänen» – eine Geschichte von Mae

Member Stories 2020

«Valma Nykänen» – eine Geschichte von Mae

In der Zelle war es kalt und düster und ich konnte nur knapp das Gesicht meiner Peinigerin sehen. Ich wusste, ich steckte ganz schön in der Klemme. «Also», begann Aura und lächelte boshaft, «du kannst dir gar nicht vorstellen, wie lange ich schon auf diesen Moment gewartet habe». Sie hielt eine Spritze in der Hand und mit dieser kam sie immer näher auf mich zu. «Ich brauche heute erst einmal eine Blutprobe», erklärte sie mir, «morgen wird es dann interessanter». Obwohl ich dies unbedingt vermeiden wollte, begann ich zu zittern und Schweiss lief mir die Stirn hinab. Meine Hände waren von den engen Fesseln schon ganz taub und meine Beine waren schon längst eingeschlafen. Schmerz fuhr durch meine noch durchblutenden Glieder, als die Hohlnadel in meine Haut eingedrungen war und ich musste meine Augen schliessen, damit ich das höllisch gemeine Grinsen von ihr nicht sehen konnte. «Na, dann bis morgen», rief sie schadenfreudig, verliess mit den beiden Wächtern den Raum und knallte die Tür hinter sich zu.

Vielleicht sollte ich mich noch vorstellen: Ich bin Valma Nykänen, komme aus Finnland und kann Lebewesen heilen. Ich war schon seit Stunden, vielleicht sogar seit Tagen hier eingesperrt und ich wurde dauernd von meiner bösen, aber leider ziemlich genialen Tante Aura verhört oder gefoltert. Doch heute wollte ich flüchten und ich wusste auch schon ganz genau wie. Ich hörte wie die Tür geöffnet wurde und «Shifter», wie er hier genannt wurde, hereinkam. Shifter mochte vielleicht äusserlich unglaublich attraktiv aussehen mit seinen haselnussbraunen Augen und seinem kurzen herbstgoldenen Haar, jedoch war er innerlich ein unglaubliches kindisches Ekelpaket. Um mich zur Weissglut zu bringen, kam er jeden Tag in meine Zelle und ass mit wahnsinniger Schadenfreude sein Abendessen neben mir. Auch heute war er mit einem vollen Teller gekommen und verzehrte genüsslich die Erbsensuppe mit Pfannkuchen. An diesem Tag versuchte ich ihn aber nicht zu ignorieren und tat so, als wäre ich am Verhungern, was in meinem Zustand nicht schwierig war. «Geh weg du Idiot», schrie ich ihn voller Hass an «ich halte das nicht mehr aus». «Was hältst du nicht mehr aus?», fragte er unschuldig und sass noch näher zu mir. Genau das wollte ich erreichen, denn so konnte ich ihm das letzte Tröpfchen Gift, dass ich besass in die Suppe schütten. Es war zwar ziemlich anstrengend, dies mit gefesselten Händen zu tun und unauffällig war ich bei der Sache auch nicht gerade, aber Shifter war so darauf fixiert, mich zu nerven, dass der Dummkopf nichts davon mitbekam. Als er fertig gegessen hatte, stiess ich fast einen Freudenschrei aus und grinste ihn mit so einem verschmitzten Lachen an, dass er es mit der Angst zu tun bekam. «Was ist los?», erkundigte er sich nicht mehr ganz so selbstsicher. «Ich erkläre es dir jetzt mal klar und deutlich, sodass es auch so ein Idiot wie du verstehen kannst.», erwiderte ich höhnisch, «Ich habe dir vor ein paar Minuten Gift in dein Süppchen getan. Falls du mir nicht glaubst, dann schaue deine rechte Hand an, da siehst du schon erste Merkmale der Vergiftung. Dir verbleibt nicht mehr viel Zeit.»

Zuerst glaubte er mir nicht und fing an mich auszulachen. «Netter Versuch», entgegnete er, «Du hättest mich fast reingelegt». Doch als er seine rechte Hand betrachtete sah er die kleinen dunkelvioletten Punkte, welche durch das tödliche Gift der Valkablume entstanden. Von dieser Pflanze kriegte man keinerlei Schmerzen, jedoch war man innerhalb weniger Stunden tot. Er schaute mich erstaunt und voller Panik an. «Ich würde erst gar nicht erwägen die Ärzte aufzusuchen, denn bis diese ein Gegenmittel gefunden haben, weilst du schon nicht mehr unter den Lebenden. Die Einzige, die dich in so einer kurzen Zeit heilen kann bin ich.», «und was willst du dafür?», fragte er mich mit hasserfüllter Stimme. «Du bringst mich hier raus und wenn wir das geschafft haben, werde ich dich heilen.», versprach ich. Shifter war stocksauer. «Bei diesen geringen Überlebenschancen könnte ich auch nur hier herumsitzen und meine letzten Stunden geniessen», erwiderte er, nahm jedoch ein Taschenmesser heraus und schnitt damit meine Fussfesseln durch. «Also der Plan sieht so aus: Deine Handfesseln werde ich natürlich nicht lösen, so unintelligent bin ich nun auch wieder nicht. Dieser Raum wird vielleicht nicht überwacht, aber draussen wimmelt es nur so von Kameras, also verhalte dich so, als wärst du meine Gefangene. Wir werden so schnell wie möglich versuchen in den Lüftungsschacht am Ende von Korridor 3 zu kommen, dieser wird nur selten als Notausgang benutzt. Wenn du nicht machst, was ich sage sind wir innerhalb Sekunden tot, kapiert?» Ich nickte. Er packte mich am Arm und zerrte mich aus der Zelle.

Wir waren kaum 10 Meter gekommen, da kam schon ein Wachmann auf uns zu. «Hey Shifter was machst du da?», rief er lauthals, doch noch bevor dieser sein Messer zücken konnte, beschwichtigte ihn Shifter. Ich hätte versucht zu fliehen, weshalb er mich zum Boss bringen wollte. Der Wachmann nickte kurz und schlenderte dann weiter. Wir erreichten kurze Zeit darauf den Lüftungsschacht. Ich hasste diesen Teil der Flucht. Ich litt nicht unter Klaustrophobie, aber in Lüftungsschächten herumzukrabbeln, war trotzdem nicht mein Ding. Um mich abzulenken, begann ich nach einer Weile Shifter auszufragen: «Wieso nennen sie dich eigentlich Shifter, hast du keinen richtigen Namen?» Er starrte mich schlecht gelaunt an, antwortete jedoch kurze Zeit später: «Falls du Englisch könntest, wüsstest du, dass der Name übersetzt schlauer Fuchs heisst, was auch ganz klar zu mir passt. Mein richtiger Name ist Joona Saari. Da wir beide dieses Abenteuer nicht überleben werden, wird er dir jetzt auch nicht mehr viel nützen.», «Und wieso arbeitest du für meine Tante?», hakte ich weiter nach. «Habe ich eine andere Wahl?», erwiderte er leise und ich hörte verborgene Verzweiflung in seiner Stimme, «Mein Vater ist ihr Ehemann, also kann ich eine andere Karriere vergessen. Das Einzige, was mir ein wenig Spass gemacht hat, war dich zu ärgern.» Diese Aussage kam für mich ziemlich überraschend und hätte er Letzteres nicht erwähnt, hätte ich vielleicht sogar ein wenig Mitleid mit ihm gehabt. «Es gibt immer einen Ausweg», erklärte ich ihm. «Man ist nur manchmal zu bequem, um diesen zu finden. Wenn ich nicht versucht hätte, einen zu suchen, wäre ich jetzt immer noch eingesperrt in meiner Zelle.» «Und was schlägst du mir vor?», erkundigte er sich spöttisch. «Wenn ich es hier nicht mehr aushalte, würde ich abhauen.», erwiderte ich und meinte es ernst. Er schaute mich ein paar Sekunden nachdenklich an, danach seufzte er und drehte sich nach vorne, um weiter zu krabbeln.

«Denkst du wirklich du wirst weit kommen?», bohrte Joona nach, «die werden dich ganz schnell wieder einfangen und dann werden sie nicht noch mal das Risiko eingehen, dich nochmal entwischen zu lassen. Du bist so gut wie tot und ich ebenfalls.» «Ich habe sehr gute Freunde», meinte ich «die werden mir helfen.» «Ich würde nicht auf so etwas wie Freundschaft vertrauen.» Ich verdrehte genervt die Augen. «Kein Wunder bist du so ein Idiot. Wenn du keiner einzigen Person in deinem Leben vertrauen kannst, dann fühlst du dich noch einsamer, als du es vielleicht schon bist.» Nach dieser Konversation schwiegen wir einander an. Nach einer Weile war endlich der Ausgang in Sicht. Erleichtert kletterte ich hinter Joona aus dem Lüftungsschacht. Dieser sah schon sehr blass aus und die dunkelvioletten Punkte hatten sich deutlich vermehrt. «Jetzt müssen wir nur noch durch diese Tür, die Treppe rauf und danach sind wir draussen», erklärte er erschöpft, als auf einmal eine Alarmanlage ertönte und wir Schritte, die immer wie lauter wurden, vernahmen. Langsam glaubte nicht einmal mehr ich daran, dass wir entkommen konnten. Da fasste ich einen Entschluss. Hastig berührte ich Joona und heilte ihn, worauf er vollkommen verwirrt war. «Ich weiss nicht was in mich gefahren ist, aber ich vertraue dir, dass das wirklich die Tür zum Ausgang ist. Leider werde ich es unmöglich hinkriegen zu fliehen, weshalb ich jetzt schon mein Versprechen eingelöst habe», erklärte ich ihm. Im ersten Augenblick sah er mich sprachlos an, danach veränderte sich sein Gesichtsausdruck, als wäre er zu einer wichtigen Erkenntnis gekommen und mit einer schnellen Bewegung löste er meine Handfesseln. «Geh», sagte er leise und nahm seine Pistole hervor. Jetzt war ich die, die ihn erstaunt anschaute. «Nun hau schon ab, ich halte sie auf!», schrie Joona und deutete zur Tür.

 Ich dachte nicht lange nach und riss die Tür auf. Ich stand tatsächlich vor einer Treppe und wenn ich hinaufsah, blendete mich ein helles warmes Licht, was nur Sonnenstrahlen sein konnten. Ich wollte aufschreien vor Glück. Ich hatte es fast geschafft! Als ich ungefähr die Hälfte der Stufen geschafft habe, hielt ich jedoch inne. Ich musste an Joona denken. Er hatte mir geholfen und nun wurde er dafür wahrscheinlich in diesem Augenblick getötet. Ich sah noch einmal mit Wehmut zu meinem Weg in die Freiheit hinauf. Dann ging ich zurück, um Joona zu retten.

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