Ich renne und renne. Der Ball vor meinen Füssen droht wegzurollen und ich kicke so fest wie ich kann hinein. Bitte lande im Tor, bitte lande im Tor! «Goooooooal!» Ein schriller Pfiff ertönt. «Das Mädchenteam der 28f gewinnt das Finalspiel mit drei zu zwei gegen die 26a!»
Die Stimme unserer Sportlehrerin dröhnt in meinen Ohren. Ich habe es geschafft! Nein, wir haben es geschafft! Lea, Hannah und Delia kommen auf mich zugelaufen.
Seit Wochen gehen wir jetzt zusammen in eine Klasse. Also alle aus meinem Team aber Die Drei sind echt richtig nett und ich habe sie richtig gern, auch wenn ich irgendwie noch nicht so wirklich das Gefühl habe, dass wir „beste Freunde“ s 2702501788699ind. Vielleicht, hoffentlich, bilde ich mir das aber auch nur ein. Ich habe mich nämlich schon immer schwergetan neuen Leuten zu vertrauen. Woran das liegt? Gute Frage!
«Yesss! Wir haben es geschafft!» jubelt Delia schon von weitem und ich kann ein Lachen nicht unterdrücken. Wie automatisch bewegen sich meine Beine auf sie zu und ich strecke die Arme aus. Keine Ahnung, woher dieser Impuls kam, aber als die drei lachend auf mich zugestürmt kommen und sich in meine Arme stürzen bereue ich nichts. Die Arme um die Schultern gelegt trotten wir gemeinsam über am Tor und den Zuschauern vorbei über das Feld zu den Holzunterständen, wo unsere Taschen liegen. Wir lösen uns voneinander und ich suche unter dem riesigen Haufen nach meiner schwarzen Puma Sporttasche. Halb unter einem grauen Turnbeutel versteckt, entdecke ich sie. Ich beuge mich vor und will gerade nach ihr greifen als ich mit meinem Kopf gegen irgendetwas hartes stosse «Autsch!» ich hebe den Kopf, um zu sehen, wogegen ich geknallt bin. Blau, blau wie die Aare im Morgenlicht, blau, wie der Himmel über uns. Direkt vor mir, keine Handbreite von mir entfernt. Die schönsten blauen Augen die ich je gesehen habe. «Äh sorry, ich wollte nicht, tut mir leid…» stammle ich vor mich hin. «Alles gut? Das war keine Absicht…» stösst er gleichzeitig hervor und wir beginnen zögerlich zu lachen. «Nochmal sorry, ich wollte nicht…» Äh, was wollte ich nicht?
Mein Hirn ist wie leergefegt. Ich kann nicht aufhören ihn anzusehen.
«Ja, äh, sorry…» beschämt schaue ich zur Seite. Als ich zurückblicke, sehe ich wie er grinst. «Du hast auch gespielt, oder?» Er deutet auf mein hoffentlich nicht allzu verschwitztes Trikot. «Ja vo…vorhin gerade.» Weshalb zum Teufel stottere ich?! «Und du? Hast du auch gespielt?» er nickt. Er NICKT! Warum nickt er?! «Äh, wart ihr gut?» erneut erhellt dieses bezaubernde Grinsen sein Gesicht. Bezaubernd?! Was ist mit meinem Hirn los? Existiert es überhaupt noch?! «Ja, wir sind zweite geworden, ich bin eigentlich recht zufrieden. Und du?» Oh, ein Fettnäpfchen. „Ja, äh wir sind, wir sind vorhin im Finale gewesen…“ Er nickt anerkennend. „Das heisst, wenn du nicht von den 26er Klassen bist, dann habt ihr ja gewonnen!“ Und jetzt bin ich hineingetreten. Oder, er hat mich hineingeschubst. Ich merke, wie ich rot anlaufe. „Ja, also es war eigentlich recht knapp, daher…“ Daher was?! „Dreh dich mal kurz um… Ja genau Nummer 7, dann hast du das entscheidende Tor getroffen! Respekt!“ langsam kehre ich mich wieder nach vorne, während mein Gesicht immer wie roter wird. Ich kratze mich im Nacken und blicke mich verlegen nach meinen Freundinnen um, aber ich kann sie in der Menge nicht entdecken. So ein Mist aber auch! „Hey, jetzt sei mal nicht so bescheiden! Das musst du feiern! Man schiesst nicht alle Tage ein so entscheidendes Tor!“ Wo ist das Fettnäpfchen hin verschwunden? Hat es sich aufgelöst? War es vielleicht gar nie da? Ich wühle in meiner Tasche nach meiner Flasche, um meine Hände irgendwie anders zu beschäftigen als den Saum meines brandneuen Fussballshirts aufzuknibbeln. Nach einigem Suchen finde ich die bunte Trinkflasche unter einem schwarzen Kleidungstück welches sich zu meinem Schrecken als Sport-BH herausstellt. Schnell stopfe ich ihn zurück in die Untiefen meiner Tasche und hoffe, dass es ihm nicht aufgefallen ist. Falls es das ist, ignoriert er es zum Glück und beginnt seinerseits in seinem Beutel zu wühlen, um kurz darauf seine verbeulte Flasche zu präsentieren. Er trinkt ein Paar schlucke. „Was schon leer!“ er dreht die Flasche auf den Kopf und ein einzelner Tropfen tropft hinaus. Aus unerklärlichen Gründen strecke ich ihm meine, noch fast volle, Trinkflasche entgegen. Erstaunt schaut er mich an. „Wirklich?!“ Ich nicke, weil alles andere seltsam wäre. Während er trinkt, sehe ich mich nochmal nach meinen Freundinnen um, in der Hoffnung mich aus dieser merkwürdigen Situation zu retten. Aaaber, will ich wirklich weg? Oder will ich insgeheim doch bleiben? Nein niemals! Oder?
Ich entdecke Hannah, Delia und Lilly, drehe mich zurück zu ihm und ertappe ihn dabei, wie er mich anschaut. Er streckt mir die Flasche entgegen und ich stopfe sie schnell zurück in die Tasche. „Äh, ja ich gehe dann mal zurück zu meinen Freundinnen.“ Ich hebe die Hand zum Abschied und gehe dann schnellstmöglich durch die Menge.
Nicht einmal seinen Namen weiss ich! Soll ich zurückgehen? Ich nehme die Flasche, aus der er getrunken hat, wieder aus der Tasche und dabei fällt ein Zettel zu Boden. Ich hebe ihn auf und falte ihn sorgfältig auseinander:
Ruf mich an 079…
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